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Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm

Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm

Titel: Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Rothballer
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Bergwerks von Andobras war mithilfe der Götter oder einfach durch pures Glück aus jenem finsteren Verlies entkommen und hatte noch nicht einmal den Versuch unternommen, sein Wissen über den verborgenen Fluchtweg mit den Zurückgebliebenen zu teilen. Das war in seinen Augen äußerst feige.
    »Mag ja sein, dass es gefährlich ist, sich den Gardisten in einem Kampf zu stellen«, räumte Rai ein, »aber nur um den Gefangenen von dem Fluchtweg zu erzählen, braucht man ja nicht gleich handgreiflich zu werden. Es gibt schließlich auch andere Möglichkeiten, die Wachen zu überwinden. Elegantere Methoden, als sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen.« Der Stolz auf seinen Berufsstand quoll bei diesen Worten förmlich aus dem Dieb hervor, sein Gegenüber zeigte sich jedoch unbeeindruckt. Ob aus Unverständnis oder Geringschätzung, vermochte Rai nicht zu sagen.
    »Wie auch immer«, versuchte der Blonde das Thema zu wechseln, »ich bin mir sicher, dass du großen Hunger haben wirst und vielleicht auch das Bedürfnis nach Ruhe verspürst. Darf ich dich einladen, mir in unser Lager zu folgen?« Er machte eine auffordernde Geste. »Ach, und ich möchte natürlich nicht versäumen, mich vorzustellen: Ich bin Kawrin aus dem fernen Seewaith.«
    »Mein Name ist Rai, und ich stamme aus Tuet«, erwiderte der Dieb bemüht um einen freundlichen Tonfall. Schließlich wollte er seine neue Bekanntschaft nicht sogleich wieder vergraulen, auch wenn er dessen Tatenlosigkeit missbilligte. Außerdem war die Aussicht auf eine vollständige Mahlzeit und ein wenig ungestörten Schlaf durchaus Grund genug, seinen Ärger zumindest auf später zu verschieben.
    Er folgte Kawrin trotz seiner schmerzenden Glieder die Uferböschung hinauf, wo sie sogleich von der dunstigen Stille des Waldes umfangen wurden. Sein zerzauster Führer schlug eine erstaunlich rasche Gangart entlang einem kaum sichtbaren Trampelpfad an. Rai hatte zunächst Mühe mitzuhalten, doch mit jedem Schritt fiel die Müdigkeit mehr und mehr von seinen verkrampften Muskeln ab. Während ihres Marsches kam er nicht umhin, die faszinierende Pracht der Natur um ihn herum zu bestaunen. Die Bäume hier waren vollkommen anders, als er es von dem Wald der Wurzelbälger her kannte. Ihre Stämme wirkten wie Säulen, auf denen das Blätterdach in schwindelerregender Höhe ruhte wie die Kuppel eines naturgewachsenen Tempels. Auf jedem Fleckchen Boden drängte sich grünes Leben, und selbst die Rindenfläche der Baumstämme diente zahlreichen Gewächsen dazu, sich daran rankend und windend zum Licht emporzuarbeiten. Astgabeln wurden häufig von fremdartigen Blüten geschmückt, die jedoch offensichtlich nicht Teil des Baumes waren, auf dem sie wuchsen. Aus dem lückenlosen Pflanzenteppich zwischen den Stämmen sprossen immer wieder kerzengerade Stängel bis zu zwei Schritt in die Höhe, an deren Spitze ein einzelnes Blatt saß, das an die Öffnung einer Trompete erinnerte und aus dessen Mitte eine lange federartige Dolde aus Tausenden kleiner weißer Blüten ragte. An anderen Stellen standen urwüchsige Farnbäume, deren frisches Grün im Zwielicht des Waldes zu leuchten schien wie lebendige Blätterfackeln.
    Durch die allgegenwärtigen Wunder des Waldes abgelenkt, bemerkte Rai kaum, dass sie inzwischen eine Art Lichtung betreten hatten, auf der sämtliches Unterholz entfernt worden war. Auf einer Fläche von vielleicht fünfzig Schritt waren, an die Stämme der größten Bäume geschmiegt, zahlreiche Unterstände aus Geäst und Farnwedeln errichtet worden. Vor diesen provisorischen Hütten hockten meist recht junge Frauen und Männer in kleinen Gruppen und beschäftigten sich mit den unterschiedlichsten Tätigkeiten, die jedoch alle hauptsächlich mit der Nahrungsherstellung in Verbindung standen. In der Mitte dieses Platzes befand sich eine große, mit Steinen umgrenzte Feuerstelle, über der an einem drehbaren Spieß ein verführerisch duftendes Tier briet. Rai war sich nicht vollkommen sicher, aber er vermutete, dass es sich um einen hier ansässigen Verwandten des Wildschweins handelte. Er war jedoch so hungrig, dass sein Mund wahrscheinlich selbst beim Anblick gebratener Maden wässrig geworden wäre.
    Als die Bewohner des kleinen Dorfs seiner gewahr wurden, versammelten sie sich rasch um den Neuankömmling und löcherten ihn alle gleichzeitig mit Fragen. Rai erklärte schließlich ein wenig entnervt und zum wiederholten Male, dass er von der gestrigen Flut mitgerissen worden und nicht

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