Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm

Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm

Titel: Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Rothballer
Vom Netzwerk:
wurde. Während sich Narbengesicht dort abfangen konnte, schlug Rai mit dem Hinterkopf gegen die Felswand. Halb besinnungslos tastete er nach einem Halt. Das Wasser aus der Richtstrecke zerrte jedoch unerbittlich an seinem entkräfteten Leib. Rais Finger scharrten nur über glatten Fels. Er begann abzurutschen. Plötzlich packte ihn jemand am Kragen seines zerschlissenen Wamses.
    »Versuch, dich an meinem Arm festzuhalten!«, brüllte Narbengesicht durch das rauschende Chaos um ihn herum. Aber der kaum mehr als Kleidungsstück zu bezeichnende Stofffetzen, an dem nun sein gesamtes Körpergewicht hing, gab dem Dieb keine Gelegenheit mehr dazu, dieser Aufforderung nachzukommen. Mit einem plötzlichen Ruck riss das Hemd entzwei. Rai fiel. Mit einem Mal war überall flüssige Kälte um ihn herum. Eine rohe Kraft wirbelte ihn umher wie ein Blatt in einem Herbststurm. Einmal konnte er sich noch an die Oberfläche kämpfen, um seine brennenden Lungen mit Leben zu füllen. Er meinte, Rufe und eine ausgestreckte Hand wahrzunehmen, dann schloss sich die nasse Faust wieder um ihn und riss seinen kraftlosen Leib mit unwiderstehlicher Gewalt nach unten. Er konnte nichts weiter tun, als sich dieser höheren Macht bedingungslos zu ergeben. Vielleicht war das Ende letztlich eine Erlösung.

 
DAS ZWEITE LICHT
     
    E r erwachte. Gleißende Helligkeit umgab seinen Körper wie ein warmer Mantel. War dies das ewige Feuer am Eingang von Xelos’ Hallen? Hatte er den letzten Weg aller Sterblichen hinab in das Schattenreich bereits hinter sich gebracht? Sein Gesicht ruhte auf etwas Feuchtem, Weichem, das einen erdigen Duft verströmte. Er versuchte, seinen Kopf zu heben, doch mit einem Schlag begann jeder Muskel in seinem Körper zu rebellieren. Schmerzen durchzuckten ihn mit all ihrer irdischen Macht. Das waren eindeutig nicht die Qualen einer Seele auf dem Weg ins Totenreich! Es waren die nur allzu weltlichen Signale seines gepeinigten Leibes. Langsam begannen alle Sinneseindrücke zusammenzufließen zu einer vollständigen Wahrnehmung seiner Umgebung. Er lag mit dem Gesicht nach unten in einem dichten Teppich aus dunkelgrünem Moos. Die Sonne lachte auf ihn herab, als wolle sie jeden Gedanken an den Sturm der vergangenen Nacht aus der Erinnerung tilgen. Schwerfällig wälzte Rai sich herum, um die lange ersehnten Strahlen aus Cits himmlischem Auge auf seinen Wangen und seinem nackten Oberkörper zu genießen. Ein absolutes Glücksgefühl durchströmte ihn, als er so in den Himmel blinzelte. Er war am Leben, er hatte die Flut überstanden und durfte sogar wieder das göttliche Licht genießen, das nie bis in die finsteren Stollen der Mine von Andobras vorgedrungen war. Er erkannte, wie wertvoll die Selbstverständlichkeiten des Lebens wurden, sobald man auf sie verzichten musste.
    Vorsichtig setzte er sich auf und ließ den Blick schweifen. Seine Beine hingen immer noch bis zu den Knien in dem graugrünen See, an dessen sanft ansteigendem Ufer Rai gestrandet war. Auf der makellos glatten Wasseroberfläche zeichnete sich die auf der gegenüberliegenden Seite steil ansteigende Felswand in einer Schärfe ab, als existiere unter der glitzernden Oberfläche dieses Teichs noch eine weitere Welt, die in ihrer Vielfältigkeit und Schönheit der Wirklichkeit in nichts nachstand. Einige Schritte von Rais Position entfernt, verriet sanftes Gluckern, dass sich dort wohl der Ablauf des Gewässers befinden musste. Ein Zulauf war hingegen nicht zu entdecken. Rings um den kleinen See wucherte dichter Urwald. Einige Bäume sandten ihre dicken Wurzelfinger die von Moosen und Farnen überzogene Uferböschung hinab, bis sie das nährende Nass erreichten. Alles schien so lebendig und zugleich so friedlich, dass sich Rai nach den endlosen Tagen in der einfarbigen Felsenmonotonie des Bergwerks gar nicht sattsehen konnte an der bunten Natur um ihn herum. Er vermochte sich beim besten Willen nichts Schöneres vorzustellen, als diesen harmonischen Ort des Lebens. Vor einer solchen Kulisse war die zerstörerische Kraft der Naturgewalten, wie sie noch in der vergangenen Nacht über das Bergwerk hereingebrochen war, nur noch ein ferner Schatten, der im hellen Licht des Tages kaum mehr Bestand hatte.
    Trotzdem schauderte den jungen Dieb beim Gedanken an die eisigen Fluten, von denen er bereits geglaubt hatte, sie würden ihn nie mehr freigeben. Indes hatte sich der vermeintliche Feind in einer merkwürdigen Wendung des Schicksals als Wohltäter erwiesen. Statt seinem

Weitere Kostenlose Bücher