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Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm

Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm

Titel: Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Rothballer
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absichtlich in den Schlund gesprungen sei, was unter den Umstehenden offensichtlich größtes Erstaunen hervorrief. Anscheinend waren alle außer ihm selbst aus der Mine entkommen, weil sie versucht hatten, sich das Leben zu nehmen.
    Es dauerte nach dieser Begrüßung nicht mehr lange, bis das Essen fertig war. Dem Tileter wurden neben dem gebratenen Schwein zahlreiche Früchte und Beeren angeboten, dazu eine Art Fladenbrot aus den zerriebenen Samen irgendeines Baumes. Als Nachspeise gab es verschiedene in Honig getauchte Nüsse. Rai hätte schwören können, noch niemals in seinem Leben in den Genuss eines köstlicheren Mahls gekommen zu sein. Selbst während seiner Zeit im Hause Scherwingen hatte er nur die eher eintönige Kost der Knechte serviert bekommen, die mit dieser Komposition aus den frischen Köstlichkeiten des Waldes nicht einmal annähernd mithalten konnte. Auf der Straße war die Nahrungsbeschaffung ohnehin immer ein Problem gewesen, da ihm nur selten die nötigen Mittel zur Verfügung gestanden hatten, um seinen Hunger angemessen in einer Schenke oder gar einem gehobeneren Gasthaus zu stillen. Und die vergangenen Tage in der Mine von Andobras hatten das Thema Essen schlussendlich auf die reine Überlebensfrage reduziert, wobei der Komponente des sinnlichen Genusses dort natürlich keinerlei Bedeutung zufiel. Jetzt merkte Rai, wie sehr ihm dieses wichtige Element bei der Nahrungsaufnahme gefehlt hatte.
    Als sein vernachlässigter Magen schließlich beinahe bis zum Bersten gefüllt war und sich das fast in Vergessenheit geratene, wohlige Gefühl der satten Zufriedenheit nach einer reichhaltigen Mahlzeit einstellte, fand er auch wieder die Zeit, seine Gedanken auf andere Dinge zu richten. Diese gastfreundliche Gesellschaft von Selbstmördern schien tatsächlich vollkommen damit zufrieden zu sein, sich hier im Wald zu verstecken und den Dingen ihren Lauf zu lassen. Ein wenig konnte er die Menschen ja verstehen, denn die kleine Gemeinschaft, die sie hier inmitten des Urwalds aufgebaut hatten, wirkte im Vergleich zu den anarchischen Zuständen in den Minen von Andobras, wo das Recht des Stärkeren über Leben und Tod entschied, wie ein Juwel neben einem Klumpen Eisenerz. Rai konnte natürlich nachvollziehen, dass man einen solchen Schatz nicht leichtfertig aufs Spiel setzen wollte, andererseits sagte ihm sein Gerechtigkeitsempfinden, dass jedem Einzelnen hier durch das Entkommen aus der Gefangenschaft auch eine gewisse Verantwortung aufgebürdet worden war. Eigentlich hatte er sich nie viele Gedanken zum Wirken der Götter gemacht, aber wenn es, wie der blonde Kawrin zu glauben schien, wirklich Bajulas Einfluss zu verdanken war, dass die lebensverdrossenen Minensklaven eine zweite Chance erhielten, würde dann die ewig junge, lebensfrohe Göttin nicht eine Art Gegenleistung oder zumindest ein Handeln in ihrem Sinne erwarten? Und wie könnte man sich bei der Gottheit besser erkenntlich zeigen als damit, das Leben der unzähligen Gefangenen des Bergwerks zu bewahren, bei denen es vollkommen unzweifelhaft war, dass sie bei diesen Arbeitsbedingungen nicht alt werden würden. Dazu müsste aber jemand trotz aller Gefahren den Mut aufbringen, in die Stollen zurückzukehren, um den Menschen den Weg nach draußen zu weisen. Rai hatte sogar bereits einen Plan ersonnen, wie das zu bewerkstelligen wäre, jedoch benötigte er dafür unbedingt die Unterstützung dieser schicksalsergebenen Zeitgenossen.
    So räusperte er sich schließlich lautstark, bis er die Aufmerksamkeit aller auf sich gezogen hatte. Dann begann er, mit feierlicher Stimme zu sprechen: »Ich wollte mich herzlich bei euch für das wunderbare Mahl und die gewährte Gastfreundschaft bedanken. Das ist mehr Freundlichkeit, als ich in den letzten paar Monaten erfahren habe.«
    Er erhielt beifälliges Murmeln als Antwort, während Kawrin entgegnete: »Eigentlich sehen wir dich bereits als ein Mitglied unserer Gemeinschaft an. Wir teilen das gleiche Schicksal, wenn du auch vielleicht unter anderen Umständen deine Freiheit wiedererlangt hast als der Rest von uns. Trotzdem wirst du bald feststellen, dass für unsereins keine großen Wahlmöglichkeiten bestehen. Von der Insel zu entkommen, ist so gut wie unmöglich, wenn man nicht einen Verbündeten im Hafen findet. Und da auf entflohene Sklaven ein hohes Kopfgeld ausgesetzt wurde, ist die Hilfsbereitschaft dort äußerst begrenzt. Deshalb wird dir gar nichts anderes übrig bleiben, als dich uns anzuschließen.

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