Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm
In dieser Wildnis allein überleben zu wollen, ist ziemlich aussichtslos.« Er endete mit einem gewinnenden Lächeln.
Für Rais Geschmack fielen hier viel zu oft Worte wie »unmöglich« und »aussichtslos«. Wenn er immer auf diejenigen gehört hätte, die ihm eine Sache als »aussichtslos« verkaufen wollten, wäre er vermutlich nicht der einzige Dieb in den ganzen Ostlanden, der in den Palast von Tuet eingedrungen und lebendig wieder herausgekommen war.
Doch er hielt seinen Ärger im Zaum und fuhr stattdessen in verbindlichem Tonfall fort: »Das ist sehr freundlich von euch, auch wenn ich nichts getan habe, was eine solche Ehre rechtfertigt. Tatsächlich gibt es auch noch etwas, das mich davon abhält, dieses großzügige Angebot anzunehmen.«
Diese Aussage sorgte für einige fragend in die Höhe gezogene Augenbrauen und Kopfschütteln unter den Zuhörern. Eine junge Frau mit kurz geschnittenen braunen Haaren bemerkte zurückhaltend: »Bisher haben aber alle, die aus der Mine entflohen sind, sich uns angeschlossen. Was willst du denn sonst tun?«
»Um zu verstehen«, erklärte Rai, »warum ich nicht einfach in Ruhe und Frieden bei euch leben kann, müsst ihr bedenken, dass ich die Mine nicht freiwillig verlassen habe. Im Gegensatz zu wahrscheinlich jedem anderen von euch habe ich jemanden dort zurückgelassen, der mir sehr wichtig ist.«
Bestürztes Schweigen folgte auf diese Enthüllung.
»Zudem habe ich auch noch jemandem dort mein Leben zu verdanken«, fuhr der kleine Tileter fort, »und nicht zuletzt fällt es mir sehr schwer, selbst in Freiheit zu sein, während meine ehemaligen Mitgefangenen weiter in den Stollen Steine klopfen müssen. Deshalb habe ich beschlossen, dorthin zurückzukehren.«
Fassungslose Entrüstung schlug ihm entgegen. Manche sprangen sogar vom Feuer auf und versuchten, Rai lautstark von seinem Vorhaben abzubringen.
Erst als das entstandene Stimmengewirr ein wenig verebbt war, vermochte der bedrängte Dieb hinzuzufügen: »Ich bin einfach überzeugt, dass Bajula in ihrer Großmütigkeit nicht allein mein Wohl im Sinn hatte, als sie mir diesen Neuanfang gewährte!«
Die auf diese Worte folgende betretene Stille nutzte ein etwas älterer Mann mit leicht ergrautem Haar, dessen linker Arm sich in unnatürlichem Winkel nach außen krümmte, um das Wort zu ergreifen. Anscheinend genoss er ein gewisses Ansehen in der Gemeinschaft, denn alle wandten ihm aufmerksam die Köpfe zu, als er zu sprechen begann: »Mein Name ist Terbas, ich bin der Älteste, seit unser Anführer Ralin tot ist. Siehst du diesen nutzlosen Arm, der an meiner Seite hängt?«
Rai nickte ernst.
»Das habe ich Ulag zu verdanken. Nur weil ich es gewagt habe, gegen eine ungerechte Zuteilung von Nahrung zu protestieren, hat er mir meinen Arm zertrümmert, sodass ich ihn nie wieder gebrauchen kann.«
»Das tut mir leid«, bemerkte Rai höflich.
»Das braucht dir nicht leidzutun«, entgegnete Terbas schroff. »Das soll dir als Warnung dienen, was geschieht, wenn man gegen Ulag aufbegehrt. Was glaubst du, wird er mit dir machen, wenn du versuchst, seine ›Untertanen‹ aus seinem Reich zu entführen? Du glaubst doch nicht im Ernst, dass er das zulässt! Was ist schon ein Herrscher ohne Untertanen?«
Durch eifriges Nicken pflichteten die meisten am Feuer ihrem Ältesten bei. Aber dem jungen Tileter war nicht entgangen, dass ausgerechnet Kawrin nur nachdenklich zu Boden starrte.
»Und lass mich dir noch etwas sagen!«, fuhr Terbas eindringlich fort. »Wenn dich nicht Ulag, sondern schon vorher die Gardisten erwischen, dann sind wir alle in Gefahr, denn du kennst unsere Zahl und unser Versteck. Schon allein deshalb können wir dich nicht einfach zum Bergwerk zurücklassen.«
»Ich habe einige Erfahrung darin, unentdeckt zu bleiben«, erwiderte Rai bestimmt. »Ihr könnt euch sicher sein, dass die Wachen nicht einmal merken werden, dass ich in das Bergwerk eingedrungen bin. Und was Ulag betrifft, so habe ich selbst schon einige Auseinandersetzungen mit ihm überstanden und weiß, was es bedeutet, seinen Zorn auf sich zu ziehen. Deshalb will ich die Arbeiter unbemerkt aus der Mine bringen …«
»Du willst Hunderte von Menschen unbemerkt aus der Mine lotsen?«, unterbrach ihn Terbas lautstark. »Wie willst du das denn anstellen?«
»Es müssen ja nicht alle auf einmal sein«, antwortete der Dieb, um Gelassenheit bemüht. »Vielleicht erst mal die aus der Westsohle, und dann sehen wir weiter.«
»Das ist doch
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