Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm
schnappen und wieder verschwinden, bevor die Gardisten auftauchten. Doch leider stand ich dem Ganzen im Weg …«
»Wieso denkst du, dass er das Schwert stehlen wollte?«, unterbrach Barat den Monolog seines Kameraden.
»Ich weiß nicht«, antwortete Rai nach kurzem Zögern. »Ich hab da so ein komisches Gefühl … Ein schwarzes Schwert und ein schwarzer Kerl passen doch auch irgendwie gut zusammen, oder?« Rai zeigte ein unsicheres Lächeln.
Barat schüttelte halb erstaunt, halb beunruhigt den Kopf, denn der Gedankengang seines Freundes kam seinen eigenen Schlussfolgerungen erschreckend nahe. Indes gab es ein paar Dinge, die er Rai verschwiegen hatte. Allerdings fand er es nun angesichts der Gefahr, in der sie beide schwebten, an der Zeit, seinen jungen Gefährten darüber aufzuklären.
Barat musste an eine der Lebensweisheiten denken, die er seinem früheren, bei Arch Themur gefallenen Kommandanten verdankte: ›Eine unbekannte Gefahr ist wie ein Pfeil in der Dunkelheit. Es gibt keine Möglichkeit der Abwehr. Wird es aber hell und man erkennt die Richtung und die Stärke des Pfeils, so kann man einen ausreichend festen Schild wählen und die Stelle bestimmen, an der man sich schützen muss. Der Pfeil hat seinen Schrecken verloren.‹
Barat setzte sich ein wenig zurecht, da ihm das linke Bein eingeschlafen war, und begann: »Rai, mein wissbegieriger Freund, du hast einen scharfen Verstand, bei all deiner jugendlichen Dummheit. Ich bin in der Tat zu demselben Schluss gekommen wie du, dass es das Schwert war, was der Schwarzmantel suchte. Allerdings bin ich zu diesem Ergebnis nicht aufgrund meines Gefühls gelangt, wie du, mein heißblütiger Gefährte, sondern mir sind Dinge bekannt, die keine andere Folgerung zulassen.« Er legte eine kleine Pause ein, um seinen Worten noch mehr Bedeutung beizumessen, während er sich an Rais gespanntem Gesicht weidete. »Wie ich dir bereits erzählte, war ich bei der letzten Schlacht um Arch Themur, der mächtigsten Festung, die je unter diesem Himmel gestanden hat, dabei. Es ist nun schon zwanzig Jahre her, doch das Erlebte ist noch frisch und lebendig in meinen Gedanken, und, bei den Göttern, das ist keine angenehme Erinnerung. Der Süden war schon beinahe besiegt. Die Völker von Skardoskoin mit ihrem Herrscher, dessen Namen zu nennen ich nicht wage, hatten schon die nördlichen Provinzen überrannt und standen am Gebirgspass, der über die Tiben-Berge nach Citheon führt. Da entschied sich der Heerführer des Königs zu jenem schicksalsschweren Vertrag mit den Inselherren und ihrem Führer, König Jorig Techel. Denn du musst wissen, mein junger Freund, unser ehemaliger König Noran Karwander war in seinem Leben kinderlos geblieben. Der einzige Thronfolger war demnach sein Heerführer Ecorim Erenor, dessen Mutter die Schwester des Königs war. In seiner Verzweiflung erklärte sich Ecorim bereit, alles zu opfern, um den Herrscher von Arch Themur aufzuhalten. So schloss er ohne das Wissen des betagten Noran Karwanders mit den Inselherren folgenden Vertrag: Nach dem Sieg über Skardoskoin sollte der Thron nicht an den rechtmäßigen Erben Ecorim übergehen, sondern an den Führer der Inselherren, König Jorig. Als Gegenleistung würden die Inselherren zugunsten des Südens in den Krieg eingreifen. So wurde es versprochen.«
Barat senkte den Kopf, als würde ihn diese Schande noch immer schmerzen. Doch er hatte sich gleich wieder in der Gewalt und fuhr fort: »Unter der Führung Ecorims gelang es den vereinigten Truppen, die Heere von Skardoskoin bis zu ihrer Festung Arch Themur zurückzudrängen. Dort entbrannte dann die schrecklichste Schlacht, die unser Land je gesehen hat.« Barat schüttelte den Kopf. »Ich kann dir nicht alle Grausamkeiten berichten, die dort geschahen, zu viel Zeit verbrachte ich schon mit dem Versuch, sie zu vergessen. Das schrecklichste Ereignis für mich und das ganze Reich war jedoch die Gefangennahme unseres Königs, Noran Karwander. Er wurde, als er vierhundert Regimenter zur Erstürmung der Tore von Arch Themur führte, von seinen Truppen abgeschnitten und hinter die ehernen Mauern geschleift. Viele kleine, schwarz verhüllte Gestalten waren aus den Tiefen der Festung geströmt. Sie hatten die Pferde irregemacht und schienen unverwundbar zu sein. Wenn sie jedoch starben, dann gingen sie dabei in Flammen auf, wie Dämonen, die unsere Welt verlassen, um in das Reich der Finsternis einzugehen.«
Bei diesen Worten waren Rai fast die Augen aus den
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