Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm
Bei den Göttern! Hätte ich nur weniger getrunken, dann könnte ich jetzt klar denken!« Biun war aufgesprungen und lief zornig im Raum auf und ab. Bald fiel sein Blick auf die beiden Diebe, bald schweifte er unruhig durch das Zimmer, um sich schließlich auf die beiden jungen Soldaten zu senken, die bisher betreten geschwiegen hatten.
»He, Kai, Miro, hat euch eine Nube die Zunge abgebissen, oder fürchtet ihr euch nur wie kleine Mädchen? Sagt gefälligst auch was, getrunken habt ihr ja auch wie Männer, und jetzt macht ihr euch die Hosen voll!« Wütend trat er mit dem Fuß gegen den Stuhl, auf dem Miro saß, sodass er unter dem jungen Soldaten wegrutschte und Miro auf den Boden rollte. Brostan lachte gepresst, während sich der junge Gardist beeilte aufzustehen.
»Lass ihn doch in Ruhe, Biun«, rief Kai, »das bringt doch alles nichts. Ich bin auch der Meinung, wir sollten hier warten bis morgen früh. Es wird bald dunkel, also können wir keinen Boten mehr losschicken. Wenn bis morgen keiner von den anderen hier eingetroffen ist, dann reiten wir einfach zu viert nach Tilet. Kein Straßenräuber wird es wagen, vier bewaffnete Gardisten anzugreifen.« Kal verschränkte die Arme vor der Brust und blickte Biun herausfordernd an.
»Ich finde den Vorschlag gut«, ließ sich Brostan vernehmen. »Hören wir damit auf, uns gegenseitig fertigzumachen, und sichern wir lieber das Gebäude. Den Wirt und seine Familie hab ich vorhin schon zu den Nachbarn geschickt. Die stören uns nicht. Zwei von uns können schlafen, einer hält vorne und einer am Hintereingang Wache. Na, was meinst du, Biun?« Er sah seinen Kameraden freundlich an. Biun strich sich mit der Hand über das Gesicht und nickte dann. Er wirkte erschöpft.
Während sich ihre Bewacher nun hektisch an die Arbeit machten, Fenster zunagelten und die Türschlösser verstärkten, wuchs die Hoffnung der beiden Gefangenen auf ihre Rettung nicht im Geringsten. Im Gegenteil, es beschlich sie eher das Gefühl, dies könnte ihre letzte Nacht werden. Denn eines war beiden klar: Wenn sich jemand tatsächlich ihretwegen mit der Tileter Palastwache anlegte, so war es gewiss nicht, um sie beide wohlbehalten in Freiheit zu setzen. Es musste einen anderen Grund geben. Überhaupt gestaltete sich dieses ganze Unternehmen immer seltsamer. Zuerst war da das rätselhafte Auftauchen des schwarz gekleideten Zwergs im Palast, und zwar genau an dem Abend, an dem sie ihr Meisterstück ausführen wollten. Dann, obwohl Rai nichts weiter erbeutet hatte als ein einfaches, um nicht zu sagen wertloses, altes Schwert, setzte der König eine ganze Garnison in Bewegung, um der Diebe habhaft zu werden. Hinzu kam dieses komische Gefühl, das Rai immer hatte, sobald er das Schwert in den Fingern hielt. Und jetzt war auch noch dieser schreckliche Mord an dem Soldaten geschehen, der nicht nur Rai und Barat beängstigte, sondern auch vier mehr oder weniger erfahrene Gardisten dazu nötigte, wie aufgescheuchte Hühner im Haus herumzuhasten und sich gegen einen Feind ohne Gesicht zu wappnen.
Unwillkürlich trafen sich Rais und Barats Blicke, denn sie waren beinahe zur selben Zeit auf einen ähnlichen Gedanken gekommen: War es möglich, dass das schwarze Schwert die Ursache all ihres Unglücks war? Rai fand als Erster Worte. Er sprach jedoch sehr leise, so, als könnte jemand außer den Gardisten, die ihnen im Augenblick nicht die geringste Aufmerksamkeit schenkten, sie belauschen.
»Hast du gerade dasselbe gedacht wie ich? Findest du nicht auch, dass alles, was wir tun, irgendwie verflucht ist, seit ich dieses verdammte Schwert das erste Mal zu sehen bekam?«
Barat erwiderte nichts, sondern starrte versonnen auf die Fesseln um seine Fußgelenke.
»Ich werde das Gefühl nicht los«, fuhr Rai weiter fort, »dass dieses alte Schwert sehr viel wertvoller ist, als wir denken, und dass auch dieser schwarze Kerl im Palast hinter der Klinge her war. Vielleicht hat er ebenso wie wir die Dunkelheit dieser Nacht zu nutzen versucht. Er sah die von uns betäubten Wachen am Eingang und folgte mir in den Palast. Oder nein, er wusste wahrscheinlich gar nicht, dass außer ihm noch jemand in den Palast eingedrungen war. Er dachte, die Wachen wären wirklich betrunken, so wie wir es ja auch aussehen lassen wollten.« Der junge Südländer sprach schon längst nicht mehr zu seinem älteren Freund, sondern folgte nun gespannt seinen eigenen lauten Überlegungen. »Dann sprengte er die Tür, wollte sich das Schwert
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