Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm
kann?«
Weder die Assassinen noch Arton zeigten irgendeine Regung. Der Ecorimkämpfer schien nicht einmal zu verstehen, was Megas sagte, noch machte es den Eindruck, als würde er dessen vermummte Helfer bemerken. Sein Gesicht verriet nichts über seine Gefühle. Leid und Hass waren hinter einer Maske aus verschmiertem Blut verborgen. Nur sein rechtes Auge funkelte ungebrochen durch die Dunkelheit.
In diesem Moment schwang lautlos die kleine Tür am Ende der Sackgasse auf. Blitzendes Metall war zu sehen. Zahllose Gestalten mit gezückten Messern strömten aus dem Eingang. Eine tödliche Übermacht.
Der Anflug eines höhnischen Lächelns stahl sich auf Megas’ Gesicht. Wenigstens hatten seine mutlosen Handlanger hier viele Verbündete. Jetzt konnte er zum Angriff übergehen. Er schnellte vorwärts. Sein Schlag zielte auf Artons Kehle. Doch es hatte nur noch dieser einen Bewegung bedurft, um Artons Zorn zu entfesseln. Noch bevor Megas seinen Schlag ausführen konnte, wühlte plötzlich eine Klaue aus Schmerz in seinen Eingeweiden. Schreiend wich er zurück, jedoch vergeblich. Ein dunkler Schrecken hob Megas in die Luft und schleuderte ihn gegen die Hauswand. Beim Aufschlag empfing ihn Schwärze.
Im selben Moment brach die tonnenschwere Last der Erschöpfung über Arton herein, als wäre ein Seil, das man bis an die Grenzen seiner Belastbarkeit gespannt hatte, plötzlich gerissen. Er empfand nur noch Leere, sein Geist löste sich in blasser Verzweiflung auf, seine Beine verweigerten ihren Dienst, und er verlor das Bewusstsein. Vor den Augen der Assassinen brach er zusammen.
DAS VERMÄCHTNIS
D er eintönig graue Himmel spuckte dicke weiße Flocken hinab auf den farblosen Park, aus dem die Reste der Kriegerschule Ecorim aufragten wie ein verkohltes Gerippe. Der späte Schnee schien ein Leichentuch über das sterbende Bauwerk breiten zu wollen, aber die von den Trümmern ausgehende Wärme erlaubte es dem gleichmütigen Weiß noch nicht, alles mit seiner unschuldigen Hülle zu überziehen. Es stiegen nach wie vor dunkle Rauchfäden empor, die sich in der dimensionslosen Wolkenschicht über Seewaith verloren. An manchen Stellen prasselte noch eine kleine Schar zerborstener Mauersteine herab, wenn ein Fensterbogen den Kampf gegen die Schwerkraft verlor, oder ein verkohlter Balken knackte drohend, weil er seine Last aus Schutt und Asche nicht mehr tragen wollte. Es waren jene letzten Regungen, denen unweigerlich die endgültige Ruhe folgt.
Das Feuer war gründlich gewesen. Der Dachstuhl hatte sich als schwarze Aschewolken über die halbe Stadt verteilt, das gesamte obere Stockwerk war irgendwann in den frühen Morgenstunden ins Erdgeschoss gestürzt, nachdem die Flammen die Stützbalken zerfressen hatten, und den Fußboden der unteren Räume bedeckte lückenlos ein Trümmerfeld, das es nicht ersichtlich machte, ob die Kellerräume unversehrt geblieben waren. Nur noch die hintere Hauswand mit der breiten Treppe ragte wie ein rußgeschwärztes Mahnmal aus dem rußgeschwärzten Scheiterhaufen empor.
Eine kleine Gruppe von Menschen stand, in Mäntel und Decken gehüllt, mit hängenden Köpfen und verschmierten Gesichtern vor den Ruinen. Keiner sagte ein Wort. Sie hatten stundenlang vergeblich versucht, das Feuer einzudämmen. Als man vom Hafen aus die lodernden Flammen inmitten der Stadt entdeckt hatte, war die Ecorimsstolz gerade beim Auslaufen gewesen. Obwohl sie sofort umgekehrt und zusammen mit den meisten Zuschauern der Prozession zur Kriegerschule gelaufen waren, hatten die Flammen bereits eine solche Hitze entwickelt, dass man nicht mehr näher als zehn Schritt an das Gebäude herangekommen war. Der Versuch, mit Wassereimern den Brand zu löschen, war ungefähr so sinnlos gewesen, wie mit Holzschwertern einen Drachen zu bekämpfen. Trotzdem hatten sie es versucht, was hätten sie auch sonst tun sollen. Nur der einsetzende Schneefall hatte eine weitere Ausbreitung des Feuers verhindert.
Jetzt waren die fünf verbliebenen Ecorimkämpfer am Ende ihrer Kräfte. Meatril hatte seinen Arm um Daia gelegt, die ihr Gesicht in den Händen barg. Neben ihnen stand wie ein versteinerter Riese Deran, sein Bruder Targ hielt sich etwas abseits und wischte ständig über seine Augen, während Eringar ganz offen weinte. Jeder trug unzählige unbeantwortete Fragen auf den Lippen, doch vor Erschöpfung und Mutlosigkeit vermochte keiner ein Wort zu sagen. Wie war das geschehen? Was war aus ihren Freunden geworden? Wer waren die
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