Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm
Verstand. Kaltes Grauen zirkulierte in seinen Adern. Er hatte sie getötet!
Megas, der zunächst überrascht stehen geblieben war, zog jetzt sein Schwert und ging auf den am Boden kriechenden Arton zu. »Danke! Du hast mir die Mühe erspart, sie zu töten. Ich hätte es nur ungern getan.«
Sein Spott in diesem Augenblick wurde ihm zum Verhängnis. Arton blickte auf. Sein Auge blitzte wie eine gezückte Klinge. Megas blieb stehen. Artons Hass war beinahe greifbar. In diesem fast zerstörten Mann lebte eine Kraft, die Megas nicht zu deuten wusste. Sie war überwältigend, unheimlich, wie eine Flutwelle auf nächtlicher See. Keiner konnte ihr widerstehen. Angst packte Megas. Sein Schwert glitt zu Boden, denn er wusste, es war nutzlos. Er wirbelte herum und begann zu laufen, so schnell er konnte.
Arton blickte über die Schulter. Feuerzungen leckten schon an der Wand des alten Gebäudes. In jeder seiner Adern floss flammende Wut. Er sah nicht, wie die verhüllten Gestalten auf ihn zuliefen, wie sie ihre Schwerter zum Schlag erhoben hatten. Er sah nur seine Schule brennen, und er wusste, dass seine Geliebte durch seine Hand gestorben war. Ein unmenschlicher Laut drang aus seinem Mund, mit dem sich aller Hass auf einmal entlud. Die Macht dieser entfesselten Gefühle verließ seinen Körper, um wie ein Gewittersturm über seine Angreifer hinwegzufegen. Mit blankem Entsetzen in den Augen warfen manche ihre Schwerter fort, um wie Megas ihr Heil in der Flucht zu suchen. Die Übrigen – sei es, weil die Angst wie Blei in ihre Beine gesunken war, oder, weil ihr Stolz die instinktive Panikreaktion zu bekämpfen versuchte – verharrten einen Moment zu lange und wurden mit voller Wucht von Artons unsichtbarem Schlag umgerissen. Sie fielen der Länge nach auf den Rasen und erhoben sich nie wieder.
Arton schien nichts von dem Schrecken, den er verbreitete, zu bemerken. Nur noch ein Gedanke beherrschte sein Tun: Rache. Rache an dem Verräter, der die Verantwortung trug, dass Arton zum Mörder seiner Liebe geworden war. Megas würde nicht entkommen. Der Krieger nahm die Verfolgung auf. Seine Beine bewegten sich, als wären die Muskeln frisch und ausgeruht. Nach wenigen Herzschlägen erreichte er das Tor. Es war geöffnet, Megas jedoch nirgendwo zu sehen. Er sprang hinaus auf den schwach erleuchteten Platz vor der Mauer. Dort entdeckte er Megas, der gerade mit einer Handvoll seiner kopflosen Mordgesellen in eine dunkle Gasse flüchtete. Die Ratten rannten um ihr Leben. Doch Arton war schneller. Durch die dunkelsten Winkel der Stadt hetzte er sie, er konnte nicht mehr sagen, wie weit oder wohin. Arton jagte fast instinktiv, er ahnte stets, welche Abzweigung die Flüchtigen genommen hatten. Sein gemarterter Körper gehorchte seinem Willen, der keine Erschöpfung duldete. Als er schließlich um eine weitere Ecke gebogen war, hielt er unvermittelt an. Nur zwanzig Schritt vor ihm stand Megas am Ende einer Sackgasse. Die Assassinen hämmerten dort wie von Sinnen gegen eine schmale Holztür, die den einzigen noch möglichen Fluchtweg darstellte. Einer von ihnen verlangte lauthals Einlass. Seine Stimme überschlug sich in haltloser Panik.
Arton kümmerte sich nicht darum. Er sah nur Megas. Er näherte sich dem Verräter wie ein Raubtier seiner Beute, behutsam, aber noch nicht bereit, das Unvermeidliche zu vollbringen. In diesem Augenblick wandte sich Megas ihm zu, als hätte das Opfer das Herannahen des Jägers gespürt. Angst verzerrte Megas’ Gesicht. Auch die fünf Assassinen fuhren herum, sobald sie Arton bemerkt hatten. In schierer Verzweiflung drückten sie sich gegen die kalte Mauer in ihrem Rücken, unfähig zu handeln.
Doch Megas Augen verhärteten sich plötzlich. Er versuchte, die tobende Panik in seinem Kopf unter Kontrolle zu bringen. Er wollte nicht wie das Kaninchen vor der Schlange warten, bis der tödliche Biss erfolgte. Er war ein Kämpfer, er würde nicht das Opfer sein.
So nahm er all seine Kraft und den Rest seines Muts zusammen und schrie: »Was willst du denn, du Verrückter?«
Keine Antwort.
»Du hast kein Schwert, du bist allein, und wir sind zu sechst! Das Feuer hat wohl den Rest deines Verstandes versengt!«
Gespannte Stille.
Megas ballte wütend die Fäuste, als Arton nicht reagierte, und wandte leicht den Kopf nach hinten, um seine immer noch furchtsam an die Wand gepressten Helfer anzubrüllen: »Verdammte feige Bande, er ist ganz allein, was glaubt ihr denn, was er gegen uns sechs ausrichten
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