Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm
Toten in den dunklen Gewändern, die überall im Park herumlagen?
Ein kleiner, gebeugter Greis trat zaghaft zu der Gruppe. Es handelte sich um Estubart Grandur, den Leiter des Rats von Seewaith, der, betroffen von dem Schicksal der Erenor, alles Erdenkliche zu tun wünschte, um ihnen zu helfen. So hatte er bereits die ganze Nacht dazu beigetragen, die Löscharbeiten zu organisieren, er hatte die Garde beauftragt, in jedem Haus nach verwendbaren Gefäßen zum Wasserschöpfen zu suchen, und er hatte Wagen beschafft, mit denen Löschwasser vom Hafen zur Schule transportiert werden konnte. Nachdem alle Mühen nutzlos gewesen waren, hatte er einen Teil der Garde vor den Toren des Parks und den beschädigten Teilen der Mauer Stellung beziehen lassen, um Plünderungen zu verhindern. Nun wollte er es sich nicht nehmen lassen, den Ecorimkämpfern noch ein wenig Mut zuzusprechen.
»Ich möchte euch in diesem traurigen Moment eine gute Nachricht bringen.« Fünf Gesichter wandten sich ihm zu.
»Tarana lebt!« Erleichtertes Seufzen war die einzige Freudensbezeugung, zu der sich die fünf noch imstande sahen.
»Der Pfeil steckte zwar auf Höhe des Herzens«, berichtete der Greis auf die fragenden Blicke seiner Zuhörer hin, »doch er drang nicht tief genug für einen tödlichen Treffer. Er wurde gebremst durch eine seltsame, rautenförmige Platte, die Tarana an einer Kette um den Hals trug. Der Pfeil durchschlug dieses Amulett, konnte dann aber nicht mehr weit in ihr Fleisch dringen. Sie hat gute Chancen, bald wieder gesund zu werden. Ihr eigenartiger Schmuck hat ihr das Leben gerettet.« Die ungläubig erhobenen Augenbrauen der fünf Ecorimkämpfer verrieten Estubart, dass sie auch nicht mehr über die graue Raute wussten, als er selbst.
»Außerdem ist Arden aus seiner Ohnmacht erwacht«, fügte der Leiter des Rats hinzu, »und er wünscht, euch zu sehen. Wir haben ihn im Rathaus untergebracht, ebenso wie die jüngsten Adepten der Kriegerschule. Die Kinder waren sehr verstört. Ich hoffe, sie sind dort ein wenig zur Ruhe gekommen.«
Unschlüssig verharrten die Gefährten noch vor den schwarzen Überresten der Schule, und das Bild der Zerstörung grub sich tief in ihre Erinnerung. Freilich war es ein großes Glück, dass Tarana noch lebte und Arden wie durch ein Wunder gerettet worden war. Das wütende Feuer hätte Targ und Eringar beinahe gebraten, als sie Arden, der nur wenige Schritte vor dem Eingang der Schule ohnmächtig gelegen hatte, außer Reichweite der alles verzehrenden Flammen schleiften. Ihre versengten Haare und Augenbrauen zeugten noch davon, wie tief sie dem Feuerdämon in den Rachen geblickt hatten. Nur was war mit den anderen Vermissten? Konnte man überhaupt noch hoffen, dass sie nicht im Gebäude verbrannt waren? Keiner wagte, laut auszusprechen, was alle dachten; die bittere, dumpfe Traurigkeit in ihren Herzen hatte bereits jeden Rest Hoffnung verbannt. Und zu der sich langsam festigenden Überzeugung über den Verlust der Freunde kam die unumstößliche Gewissheit über die Vernichtung ihres Zuhauses. Denn nichts anderes war Ecorim für die Schüler in den vielen Jahren ihrer Ausbildung geworden. Und alle beschlich das Gefühl, dass etwas Erhabenes, Altes in dieser Nacht vergangen war.
»Die Garde wird die Schule gut bewachen«, versicherte Estubart. »Ihr könnt euch darauf verlassen, dass alles, was noch irgendeinen Wert besitzt, aus den Trümmern geborgen wird.« Er sprach es nicht aus, gleichwohl war klar, dass er damit ebenso den unversehrt gebliebenen Hausrat wie die Leichen der Vermissten meinte. Auch er gab sich über ihren Verbleib keinerlei Illusionen hin und machte dies auch, als er fortfuhr, noch einmal deutlich. »Indes sind die Toten geduldiger als die Lebenden, also wendet euch nun denen zu, die es nach Neuigkeiten und Trost verlangt. Es gibt hier nichts mehr zu tun, was nicht auch andere für euch besorgen könnten.« Der Alte nickte aufmunternd.
Meatril rührte sich als Erster. Er wischte Daia ein paar Tränen von der Wange, blickte dann in die Runde und musterte jeden mit ernstem Blick.
»Der ehrwürdige Vorsitzende Grandur hat wahr gesprochen.« Meatrils Stimme war fest und entschlossen. »Wir können hier nichts mehr tun, aber Arden und Tarana brauchen unseren Beistand, und, bei den Göttern, wir haben alle etwas Schlaf nötig!« Mit diesen Worten nahm er Daia am Arm und ging langsam dem Tor entgegen, das jetzt zusammen mit der trutzigen Mauer so nutzlos wie ein leerer
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