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Vermächtnis des Pharao

Vermächtnis des Pharao

Titel: Vermächtnis des Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Gill
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sich gewickelt hatte, und schaute den hohen Bug an, der sich langsam in den Fluß drehte; eine Gruppe von Männern rollte geschäftig die Taue auf, die von der Landungsbrücke herübergeworfen worden waren. In der Mitte des Schiffes, gleich unterhalb des erhöhten Decks, auf dem die Kajüte stand, zerrte eine zweite Gruppe an ihren Tauen das viereckige Segel hoch, damit der nie nachlassende Nordwind es füllte. Huy rieb sich den Schlaf aus dem Gesicht und streckte sich. Er war es nicht gewöhnt, auf harten Planken und der allerdünnsten Leinenunterlage zu schlafen.
    Jetzt war die Barke frei, und schwerfällig schwang sie hinaus in die Strommitte, gelenkt von zwei Männern, die das große Steuerruder im Heck bedienten. Das Segel flatterte unschlüssig, und als der Bug in die Strömung schnitt, füllte es sich mit Wind, so zuverlässig wie ein sich spannender Muskel. Das sanfte Ächzen von Holz wurde plötzlich begleitet von drängendem Plätschern des Wassers, und dann waren sie unterwegs.
    Huy ließ die Lederklappe des Kajüteneingangs sinken und setzte sich im Halbdunkel auf. Er sah, daß Amotjus Schlafstelle auf der anderen Seite des schmalen Raumes schon aufgeräumt war. Im zarten Licht des nahenden Morgens, das durch die Luftschlitze in den Kajütenwänden sickerte, sah er das ordentlich zusammengerollte Bettzeug, und Amotjus Segelausrüstung hing in einem Leinensack an einem Haken darüber.
    Er lehnte sich zurück und berührte seine eigene Ledertasche, die an einem ähnlichen Haken baumelte. In sie hatte er endlich, nach langem Zögern, seine Habe verstaut. Am Ende hatte er nur eine Viertelstunde dafür gebraucht, und nicht mehr als doppelt so lange, um sein Haus zu verschließen und ihm Lebewohl zu sagen. Und wie lange war das jetzt her? Er öffnete die Klappe wieder. Die Dunkelheit verging allmählich und im Osten glomm es kaum merklich mattlila. Die Klippen der Wüste waren noch schwarz, aber er erkannte winzige Lichtpunkte versteckt dazwischen; Leute entfachten ihre Morgenfeuer auf dem schmalen Streifen bewohnbaren grünen Landes zu beiden Seiten des Flusses, dem sein Land die lange, schlangenförmige Gestalt verdankte. Bis zum Morgengrauen war es vielleicht noch eine Stunde, und der Abend hatte gedämmert, als Amotju ihn gerufen hatte.
    Er ließ den Blick über das Deck wandern, konnte aber seinen alten Freund nicht entdecken. Der Koch hatte den Feuerstein geschlagen und das Schiffsfeuer angezündet, und sein Helfer füllte einen großen Kupferkessel mit Wasser und zerstoßener Gerste. Dann hängte er ihn an den Dreifuß, um Grütze zu kochen. Das aufflackernde Feuer beleuchtete das fettige, ungewaschene Morgengesicht des Kochs. Ringsumher ließ die Betriebsamkeit der Matrosen allmählich nach, das Schiff gewann an Geschwindigkeit. Alles war auf die gedämpfte Art und Weise geschehen, mit der die Menschen vor Tagesanbruch arbeiten, und die gelegentlich gebrüllten Befehle oder Warnrufe hatten irgendwie erschreckend geklungen. Huys frühere Bootsreisen - sie hatten selten und in großen Abständen stattgefunden, und gar nicht mehr, seit er in die Stadt des Horizonts gekommen war - waren offizielle Besuche mit Staatsbarken gewesen. Auf einem Arbeitsschiff war er noch nie gewesen, und die Aufregung, die er jetzt empfand, übertönte die vorsichtigen Einwände, die ein anderer Teil seines Verstandes erhoben hatte, als er die überstürzte Eile bedachte, mit der er Amotjus Einladung gefolgt war.
    Seit er die Stimme des Freundes zuletzt gehört hatte, war viel Zeit vergangen, und dennoch hatte Huy sie sofort erkannt, und Amotju schien ihm von einem Gott oder doch wenigstens von einem Beschützer gesandt, vielleicht von seinem Ka, um ihn zu retten, als sein Leben auf dem tiefsten Punkt angelangt war. Dennoch hatte er es nicht glauben können.
    »Ja?«
    »Erinnerst du dich nicht an mich?« Die Stimme war hell vor Begeisterung; vielleicht lag sogar eine Andeutung von Erleichterung darin. Die hochgewachsene Gestalt tanzte geradezu vom Bug herunter - Amotju war schon immer elegant gewesen - und war einen Augenblick später neben ihm auf dem Kai. »Sechs Jahre muß es her sein.«
    »Seit ich herkam - ja.«
    Amotju hatte die Südliche Hauptstadt nie verlassen. Die Flotte der sechs Barken, die er von seinem Vater geerbt hatte, war dort beheimatet, und sie befuhr den Fluß mit unterschiedlicher Ladung in Nord- und Südrichtung, aber immer wieder segelte sie nach Süden, um Gold zu holen und es stromabwärts bis zum Delta

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