Vermächtnis des Pharao
zu transportieren, wo es auf die Seeschiffe umgeladen wurde, die den Küstenhandel betrieben. Die Barke, von deren Deck aus er Huy gerufen hatte, war das Flaggschiff. Wenn Amotju, was selten vorkam, einmal selbst mit seiner Flotte fuhr, dann immer an Bord der Herrlichkeit-des-Aton.
»Jetzt hat sie ja wieder ihren alten Namen«, grinste Amotju. »Pracht-des-Amun. Man muß mit der Zeit gehen.«
»Was machst du hier?«
Amotju grinste wieder, flüchtiger diesmal. »Wichtiger Auftrag. Eine große Lieferung in die Nördliche Hauptstadt. Und mein bester Kapitän plötzlich krank. Aber wichtig ist: Wenn ich nicht gekommen wäre, hätte ich dich nie wieder getroffen. Was treibst du denn so?«
Huy wußte nicht, wie weit er diesem Freund nach so langer Zeit noch trauen konnte; er schilderte sein Leben so ausführlich, wie er es für ratsam hielt. Aber von seiner Arbeitslosigkeit zu erzählen, war unvermeidbar, und es gab auch keinen Grund, sie zu verschweigen. Amotju hatte seine unbestreitbar schäbige Erscheinung bereits registriert, und die hatte zweifellos ihre eigene Sprache gesprochen.
»Was gibt’s dann hier noch für dich zu tun?« fragte Amotju, als er fertig war.
Huy zuckte die Achseln. »Sehr wenig.«
»Ohne Arbeit und ohne Familie gäbe es doch nichts Besseres, als diesen Ort zu verlassen.«
»Aber ich kann ohne Grund nicht fort von hier.«
»Möchtest du in den Norden?«
Huy sah, was er dachte. »Daß ich zu Aahmes zurückkehre, kommt nicht in Frage.«
»Aber einen Grund zum Fortgehen hast du trotzdem. Diese Stadt ist erledigt. Noch ein Jahr und sie ist leer. Und noch eins, dann hat die Wüste sie wieder. Dann ist es ein Ort für die Ratten und die Toten.«
»Das stimmt. Und dennoch, ich kann dir nicht sagen, was für Hoffnungen wir hier hatten.«
»Das ist vorbei. Du mußt dir anderswo welche suchen.«
Huy konnte nicht bestreiten, daß all das wahr war. Vielleicht hatte er nur jemanden gebraucht, der es ihm sagte.
Diejenigen Mitglieder des Hofes, die nicht schon wieder in ihre lange vernachlässigten Wohnungen in der Südlichen Hauptstadt zurückgekehrt waren, wo Haremheb bereits geschäftig den Wiederaufbau des Palastes leitete, hatten Ay und den Pharao flußabwärts begleitet zu einem Staatsbesuch beim neuernannten Wesir des Nordens. Im Sommer würden sie auf dem Rückweg in den Süden nur kurz hier haltmachen, um den Stadtaufseher abzuholen, der bis dahin die Gräber der Großen versiegeln sollte, um sie so vor Räubern zu schützen, bis ihre Leichname in das neue Heim geschafft werden konnten, das für sie im Großen Tal der Untergehenden Sonne am Westufer des Flusses, der Südlichen Hauptstadt gegenüber, gebaut wurde.
»Du siehst aus, als brauchtest du ein Bad, eine Rasur, Essen, Wein, eine Frau - vielleicht zwei Frauen — und Arbeit«, stellte Amotju fest. »Die ersten vier Dinge könnten wir dir hier bieten. Über das letzte können wir reden. Der Rest liegt bei dir.«
Amotju legte ihm einen Arm um die Schulter und die Schauerleute sahen erstaunt zu, wie ihr früherer Spielpartner und Herumtreiber auf dem Dock von einem der mächtigsten Herren des Flusses an Bord geführt wurde. Kaum hatte Huy einen Fuß auf die Decksplanken gesetzt, da wußte er, daß er wegwollte, mit diesem Schiff nach Süden fahren und sehen wollte, welche Brosamen das Glück ihm vielleicht hinwerfen würde. Als er jetzt vom Schiff aus die dunkle, unbelebte Silhouette der Stadt in der Morgendämmerung betrachtete, fühlte er, daß seine Zukunft nicht mehr an diesem Ort lag. Er hatte sich an ein Nichts geklammert — es sei denn, er wollte selbst ein Grabräuber werden, und sogar dann, dachte er trocken, wäre die Ernte im Süden üppiger.
»Der Aufseher hier hat ein leichtes Leben; er versiegelt die Gräber gegen Räuber«, sagte er bei seinem ersten Glas Kharga-Wein - Amotju hatte sein Geld schon immer mit Umsicht ausgegeben, und so war er jetzt nicht überrascht, hier vom Besten zu trinken. »Soweit ich gehört habe, arbeiten alle Grabräuber unten im Süden, im Tal, seit Echnaton den Hof hier herauf verlegt hat.«
Amotju schaute besorgt. »Vielleicht solltest du es dir mal selbst ansehen.« Mehr sagte er nicht.
»Mach ich vielleicht. Eines Tages.«
»Mach’s bald.« Huy hörte einen Eifer in der Stimme des anderen, den er unmöglich der Freundschaft zuschreiben konnte; schließlich hatte Amotju seine Existenz sechs Jahre lang mehr oder weniger ignoriert. Dann ermahnte er sich, nachsichtiger zu sein. Sie hatten
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