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Vermächtnis des Pharao

Vermächtnis des Pharao

Titel: Vermächtnis des Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Gill
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Straße vorangekommen war.
    Er mußte eingeschlafen sein, denn als er wieder hinaufschaute, stand der silberne Wagen hoch und schmal am Himmel, und ihm war kalt bis ins Mark. Etwas hatte ihn geweckt, irgendein Geräusch. In seinem Herzen war es mit einem Traum verbunden, aus dem es ihn gerissen hatte, und er wußte es nicht zu benennen. Angestrengt versuchte er, sich zu erinnern, und dann ertönte es wieder. Das scharfe, trockene Kläffen eines Schakals, sonderbar laut und ganz nah, irgendwo unterhalb zu seiner Linken. Beinahe sofort kamen zwei Männer aus der Hütte. Huy überlegte, ob noch jemand drinnen war, aber bei der Größe des Ver-schlages hätte das nur ein Zwerg sein können.
    Gleichzeitig erschienen Gestalten im Schatten am Eingang zum Vorhof. Sie waren zu dritt, geduckt und regelrecht vermummt, so daß Huy sie kaum sehen und schon gar nicht ihre Gesichter erkennen konnte. Sie hatten sich flink und lautlos bewegt, aber jetzt verharrten sie am Rande des Schattens. Huy spürte, daß seine Eingeweide sich vor Angst verknoteten. Der eine der beiden Wächter litt offensichtlich unter der gleichen Empfindung; er kauerte sich halb nieder und tastete hektisch nach dem Kurzschwert an seiner Seite. Der zweite, der mit einem Spieß bewaffnet war, schien zu zögern; sein Blick war nicht auf die Gestalten im Halbdunkel gerichtet, sondern auf seinen Freund.
    Eine jähe Welle von Energie schoß aus seinem Innersten zu seinem Mund und riß den Magen mit sich, als Huy begriff, was jetzt passieren würde, während der zweite Wächter immer noch zögerte und die mittlere der drei Gestalten sich aus dem Schatten löste.
    »Mach schon!« Die Worte kamen im schrecklichen Falsett, eine blubbernde Stimme voller Wahnsinn, und ein dünner Arm reckte sich deutend in die Höhe. Huy hob instinktiv selbst den Arm und stieß einen Warnruf aus, aber seine Glieder waren wie aus Blei und sein Mund voller Watte. Die Gestalten dort unten spielten ihre Rollen wie Schauspieler im langsamen Tanz der Pantomime. Der zweite Wächter, offenbar überwältigt von einer Macht, die größer war als er, tat einen kurzen Satz nach vorn und durchbohrte den ersten mit seinem Spieß, den er - wie der gute Soldat, der er wohl früher gewesen war - einmal umdrehte und hochriß, bevor er ihn wieder herauszog. Blut folgte der Klinge in einem heftigen schwarzen Schwall.
    Der erste Wächter stand mit starrem Blick wie eine Statue; nichts an ihm bewegte sich. Nur das Blut schoß aus ihm heraus. Schon glitten die Gestalten, ohne ihn weiter zu beachten, an ihm vorbei, auf die Grabtür zu. Der zweite Wächter hatte seinen Spieß weggeworfen und lief zu den anderen. Eine der Gestalten suchte zuversichtlich den gemeißelten Zierat der Tür nach dem Steinriegel ab, der ihnen, einmal zurückgezogen, das Grab schutzlos ausliefern würde. Und wenn sie so sicher wußten, wo dieser zu suchen war...
    Huy konnte nichts tun, um sie aufzuhalten, aber wenn er sich beeilte, könnte er versuchen, in der Siedlung weiter unten Hilfe zu holen. Falls die Arbeiter ihm glaubten, und falls sie sich bewegen ließen, herauszukommen. Einen Moment dachte er daran, abzuwarten, die Räuber das Grab betreten zu lassen und dann einfach hinter ihnen die Türen zu schließen und zu verriegeln. Aber schon stießen sie die erste auf, und dazu waren drei Mann nötig. Es war an der Zeit, zu verschwinden.
    Die Hand, die seine Schulter zermalmte, war aus Bronze. Er wurde hochgehoben, gegen den Felsen geschleudert und gleich wieder aus dem Schatten nach vorn gerissen. Er roch fauligen Atem, der ihn würgen ließ, einen Dunst von verwesendem Fisch und Schwefel. Er schnappte nach Luft und schloß die Augen; etwas Riesiges, hart und doch belebt, preßte ihn, einem mächtigen Muskel gleich, an den Felsen und drohte, ihn zu ersticken. Er spürte weder Arme noch Beine, sein ganzer Körper war ein einziger Schmerz. Er zwang sich, die Augen zu öffnen und starrte in ein Gesicht, das aus grünem Stein gemeißelt schien, ein Gesicht mit langgestrecktem Kinn und stechendem Blick und einem großen, roten Maul, in dem sich eine sehnige Zunge wollüstig rollte. Ein Gesicht, das er aus den Schriftrollen vom Buch der Toten kannte: Das Gesicht des Dämons Seth.

V IER

    Der Hohepriester des Osiris, des Herrn der Unterwelt, saß an einem niedrigen Tisch in dem großen Raum, der im Palast für ihn eingerichtet worden war. Der Palast war der größte, der je gebaut worden war; Amenophis III. hatte dreißig Jahre in Reichtum

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