Vermächtnis
für Jäger und Sammler charakteristisch ist (im Gegensatz zu den weniger häufigen Gelegenheiten, bei denen Kinder in westlichen Gesellschaften wegen der Bequemlichkeit der Mutter gestillt werden), wirksam sind: Sie machen es unwahrscheinlich, dass eine stillende Mutter schwanger wird, selbst wenn sie sich während der fraglichen Zeit wieder sexuell betätigt.
In Gruppen von Jägern und Sammlern, in denen man das Stillen gezielt untersucht hat, erfolgt es häufig »nach Bedarf«: Der Säugling hat ständig Zugang zur Mutterbrust, wird während des ganzen Tages von der Mutter auf Tuchfühlung gehalten, schläft nachts neben der Mutter und kann immer trinken, wenn er will, ganz gleich, ob die Mutter wach ist oder nicht. Wie sich beispielsweise in Messungen bei den !Kung gezeigt hat, trinkt ein Säugling tagsüber durchschnittlich viermal in der Stunde jeweils zwei Minuten lang, so dass zwischen den einzelnen Vorgängen jeweils nur 14 Minuten liegen. Die Mutter wacht nachts mindestens zweimal auf, um das Kind zu stillen, und der Säugling trinkt auch jede Nacht mehrere Male, ohne die Mutter dabei zu wecken. Diese ständige Gelegenheit, gestillt zu werden, setzt sich im Leben eines !Kung-Kindes in der Regel über mindestens drei Jahre fort. In modernen Gesellschaften dagegen richten die meisten Mütter ihren Zeitplan für das Stillen so ein, wie es ihre sonstigen Tätigkeiten erlauben. Die Tätigkeiten einer Mutter, ob im Beruf außer Haus oder bei häuslichen Arbeiten, sind oft mit einer mehrstündigen Trennung vom Kind verbunden. Dies hat zur Folge, dass im Laufe des Tages nur wenige Male gestillt wird und nicht mehrere Dutzend Mal wie bei Jägern und Sammlern; im Einzelfall dauert das Stillen dafür länger, und die zeitlichen Abstände sind größer.
Das häufige Stillen hat für die Mütter bei Jägern und Sammlern physiologische Folgen. Wie bereits erwähnt, wird eine Frau in der Regel nach der Geburt eines Kindes über mehrere Jahre nicht wieder schwanger, auch wenn sie ihre sexuelle Aktivität wieder aufnimmt. Offensichtlich wirkt das traditionelle Stillen nach Bedarf wie ein Verhütungsmittel. Eine Hypothese unterstellt eine »Laktationsamenorrhö«: Durch das Saugen des Kindes veranlasst, schüttet der mütterliche Organismus Hormone aus, die nicht nur die Milchsekretion anregen, sondern auch den Eisprung hemmen. Diese Hemmung des Eisprungs erfordert aber häufiges, regelmäßiges Stillen; einige Male pro Tag reichen dafür nicht aus.
Die andere Hypothese wird als Hypothese der kritischen Fettmenge bezeichnet: Der Eisprung setzt voraus, dass der Fettgehalt im mütterlichen Organismus oberhalb einer bestimmten Schwelle liegt. Bei einer stillenden Frau aus einer traditionellen Gesellschaft, in der Lebensmittel nicht im Überfluss zur Verfügung stehen, bleibt der Fettgehalt des mütterlichen Organismus wegen des hohen Energieaufwandes für die Milchproduktion unter diesem kritischen Wert. Deshalb können sexuell aktive stillende Mütter in modernen westlichen Industriegesellschaften im Gegensatz zu ihren Geschlechtsgenossinnen bei den Jägern und Sammlern aus dem einen und/oder anderen Grund dennoch (zu ihrer eigenen Überraschung) schwanger werden: Sie stillen so selten, dass die hormonell verursachte Laktationsamenorrhö sich nicht einstellt, und sie sind so gut ernährt, dass der Fettgehalt ihres Organismus trotz des Kalorienaufwandes für die Milchproduktion oberhalb des Schwellenwertes bleibt und den Eisprung ermöglicht. Von der Laktationsamenorrhö haben viele gebildete Frauen im Westen schon einmal gehört, aber viel weniger bekannt ist, dass sie nur eintritt, wenn die Frau sehr häufig stillt. Eine meiner Bekannten, die zu ihrem großen Kummer wenige Monate nach der Geburt eines Kindes bereits wieder schwanger wurde, stand damit auch auf der langen Liste moderner Frauen, die erklären: »Aber ich habe gedacht, ich könne nicht schwanger werden, solange ich noch stille!«
Die Häufigkeit des Säugens ist bei den Säugetierarten sehr unterschiedlich. Manche Säugetiere, darunter Schimpansen und die meisten anderen Primaten, aber auch Fledermäuse und Kängurus, stillen ihre Jungen ständig. Andere – wichtige Beispiele sind Kaninchen und Antilopen – säugen mit Unterbrechungen: Eine Kaninchen- oder Antilopenmutter versteckt ihr Junges im Gras oder in einem Unterschlupf, geht auf Nahrungssuche, kehrt dann nach längerer Zeit zurück und säugt das Junge nur einige Male pro Tag. Menschliche
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