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Vermächtnis

Vermächtnis

Titel: Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Wiegenbrett.
    Väter und Ersatzeltern
    Im Tierreich investieren die Väter verschiedener Arten sehr unterschiedlich stark in die Versorgung ihrer Nachkommen. Das eine Extrem sind Arten wie die Straußenvögel und Seepferdchen: Wenn bei ihnen das Weibchen von einem Männchen befruchtet wurde und seine Eier abgelegt hat, geht das Weibchen seiner Wege und überlässt das Ausbrüten der Eier sowie die Versorgung der geschlüpften Jungen ausschließlich dem Vater. Am anderen Ende des Spektrums stehen viele Säugetier- und manche Vogelarten: Nachdem das Männchen ein Weibchen befruchtet hat, zieht das Männchen davon und ist hinter anderen Weibchen her, während die gesamte Last der Brutpflege beim Weibchen liegt. Die meisten Arten von Klein- und Menschenaffen liegen irgendwo zwischen diesen beiden Extremen, aber näher am zweiten: Der Vater lebt – oft im Verband einer größeren Gruppe – bei Mutter und Nachkommen, gewährt den Jungen aber kaum etwas anderes als seinen Schutz.
    Beim Menschen ist die väterliche Fürsorge nach den Maßstäben der Straußenvögel gering, nach den Maßstäben der Menschenaffen und der meisten anderen Primatenarten aber stark ausgeprägt; allerdings sind Väter in allen untersuchten Gesellschaften weniger stark in die Versorgung der Säuglinge eingebunden als die Mütter. Väter spielen in den meisten menschlichen Gesellschaften aber eine bedeutende Rolle für Nahrungsbeschaffung, Schutz und Erziehung; dies hat zur Folge, dass der Tod des biologischen Vaters die Überlebenschancen eines Kindes in manchen Gesellschaften sinken lässt. Häufig ist die Beteiligung der Väter bei älteren Kindern (insbesondere Söhnen) größer als bei Säuglingen, und in modernen Gesellschaften gelingt es den Vätern in der Regel, viele Aspekte der Kinderversorgung zu delegieren, darunter das Wechseln der Windeln, die Reinigung des Hinterteils und das Baden.
    Die Beteiligung der Väter fällt in den verschiedenen Gesellschaften der Menschen sehr unterschiedlich aus und steht teilweise im Zusammenhang mit der Ökologie des Nahrungserwerbs. Am stärksten sind Väter in Gesellschaften eingebunden, in denen die Frauen ihre Zeit auf die Beschaffung eines großen Teils der Nahrung verwenden. Bei den Aka-Pygmäen zum Beispiel treiben die Väter größeren Aufwand für die unmittelbare Versorgung ihrer Säuglinge als in jeder anderen Bevölkerungsgruppe, die man untersucht hat (Abb.  8 ) ; dies hat vielleicht damit zu tun, dass die Mütter bei den Aka-Pygmäen nicht nur pflanzliche Nahrung sammeln, sondern sich auch an der Jagd mit Netzen beteiligen. Im Durchschnitt ist die Kinderversorgung durch die Väter und auch der Beitrag der Frauen zur Nahrungsversorgung in Gesellschaften von Jägern und Sammlern größer als bei Viehzüchtern. Gering ist der unmittelbare Beitrag der Väter zur Kinderversorgung in Gesellschaften wie den Hochlandbewohnern Neuguineas und den afrikanischen Bantu-Gruppen, bei denen die Männer einen großen Teil ihrer Zeit und ihrer Identität in ihr Kriegerdasein investieren und ihre Familie gegen aggressive andere Männer verteidigen. In großen Teilen des neuguineischen Hochlandes lebten die Männer traditionell sogar zusammen mit ihren Söhnen ab dem sechsten Lebensjahr in abgetrennten, gemeindeeigenen Männerhäusern, während jede Ehefrau mit ihren Töchtern und den jüngeren Söhnen in einer eigenen Hütte wohnte. Die Männer und Jungen nahmen ihre Mahlzeiten allein ein und verzehrten dabei Lebensmittel, die von der Ehefrau des Mannes und Mutter des Jungen in das Männerhaus gebracht wurden.
    Welchen Beitrag zur Kinderversorgung leisten andere Bezugspersonen außer der Mutter und dem Vater? In einer modernen westlichen Gesellschaft sind die Eltern eines Kindes in der Regel mit Abstand die dominierenden Pflegepersonen. Die Rolle von »Ersatzeltern« – Personen, die nicht die biologischen Eltern sind, aber einen Beitrag zur Versorgung leisten – hat in den letzten Jahrzehnten sogar abgenommen, weil Familien häufiger und über größere Entfernungen umziehen, so dass Großeltern, Onkel und Tanten, die in der Nähe wohnen, heute anders als früher nicht mehr ständig verfügbar sind. Damit soll natürlich nicht geleugnet werden, dass Babysitter, Lehrer, Eltern und ältere Geschwister beträchtlich zur Versorgung beitragen und großen Einfluss ausüben können. In traditionellen Gesellschaften sind Ersatzeltern jedoch viel wichtiger, und die Eltern selbst spielen eine weniger

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