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Vermiss mein nicht

Vermiss mein nicht

Titel: Vermiss mein nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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gewesen, als ich dachte. Ich zwinkerte ihm zu, er lächelte, und Erleichterung breitete sich auf seinem Gesicht aus. Seltsam, dass es anscheinend zum Job des Patienten gehörte, dafür zu sorgen, dass sich die Besucher besser fühlten. Als stünde ich auf der Bühne und müsste für Unterhaltung sorgen. Die Krankenhausmauern hatten den anderen die Sprache geraubt, sie waren gehemmt und unbeholfen, als begegneten wir uns zum ersten Mal.
    »Was ist passiert?«, fragte ich, als ich durch einen Strohhalm ein bisschen von dem Wasser aufgesaugt hatte, das mir eine Schwester kredenzte.
    Nervös sahen meine Besucher einander an, bis sich Mum schließlich entschloss, die Initiative zu ergreifen.
    »Ein Auto hat dich angefahren, als du von der Schule über die Straße gehen wolltest. Es kam plötzlich um die Ecke … ein junger Kerl mit einem provisorischen Führerschein. Seine Mutter wusste nicht, dass er das Auto genommen hatte, Gott segne sie. Zum Glück hat Mr. Burton alles gesehen und konnte der Polizei genauestens Bericht erstatten. Ein guter Mann, dieser Mr. Burton.« Sie lächelte. »Gregory«, fügte sie leise hinzu.
    Auch ich lächelte.
    »Er ist die ganze Zeit bei dir geblieben, als man dich in die Klinik gebracht hat.«
    »Mein Kopf«, flüsterte ich, denn plötzlich waren die Schmerzen zurückgekommen, als hätte die Geschichte sie daran erinnert, dass sie noch einen Job zu erledigen hatten.
    »Du hast dir den linken Arm gebrochen«, erklärte meine Mum, und ihr Lipgloss glänzte im Licht, wenn sie den Mund bewegte. »Und das linke Bein«, fügte sie mit zittriger Stimme hinzu. »Aber ansonsten hast du echt Glück gehabt.«
    Erst jetzt merkte ich, dass mein Arm in einer Schlinge lag und mein Bein eingegipst war. Irgendwie fand ich es lustig, dass sie meinten, ich hätte Glück gehabt. Immerhin hatte mich ein Auto überfahren. Ich begann zu lachen, aber da wurden die Schmerzen so heftig, dass ich lieber wieder aufhörte.
    »Ach ja, du hast dir auch noch eine Rippe gebrochen«, stieß mein Vater seltsam schuldbewusst hervor.
    Als sie weg waren, klopfte Gregory leise an die Tür. Mit seinen müden, besorgten Augen und den zerzausten Haaren sah er noch attraktiver aus als sonst. Bestimmt war er beim Warten auf und ab getigert und hatte sich die Haare gerauft. Das tat er immer, wenn er nervös war.
    »Hi«, sagte er lächelnd und küsste mich auf die Stirn.
    »Hi«, flüsterte ich.
    »Wie geht es dir?«
    »Als hätte mich ein Bus überrollt.«
    »Nein, es war nur ein Skoda. Du solltest es lieber nicht darauf anlegen, Mitleid zu schinden«, meinte er verschmitzt, und ein kleines Lächeln tanzte um seine Lippen. »Du hast die schlechten Neuigkeiten wahrscheinlich schon gehört, oder?«
    »Dass ich meine Abschlussprüfung mündlich ablegen muss?« Ich hob meinen linken eingegipsten Arm in der Schlinge. »Aber ich glaube, die Polizei nimmt mich trotzdem«, grinste ich.
    »Nein, das meine ich nicht«, erwiderte er todernst und setzte sich zu mir auf die Bettkante. »Wir haben Henry im Krankenwagen verloren. Ich glaube, die Sauerstoffmaske hat ihm den Rest gegeben.«
    Wieder fing ich an zu lachen und brach wieder ab, weil es so wehtat.
    »Oh, Scheiße, tut mir leid!«, entschuldigte er sich.
    »Danke, dass du bei mir geblieben bist.«
    »Danke, dass
du
bei
mir
geblieben bist«, antwortete er.
    »Na ja, ich hab’s versprochen«, lächelte ich. »Und ich hab nicht vor, in nächster Zeit zu verschwinden.«

Zwanzig
    Jack hockte auf dem Kies neben dem verlassenen Auto. Seine überaktive Phantasie spielte jedes mögliche und unmögliche Szenario durch, wo Sandy Shortt sich in diesem Moment aufhalten könnte, warum ihr Auto auf einem nicht mehr benutzten Parkplatz im Gebüsch stand, warum sie gestern nicht zu ihrem Treffen erschienen war und warum sie den ganzen Tag nicht zu ihrem Wagen zurückgekehrt war. Auf nichts konnte er sich wirklich einen Reim machen. Er war den ganzen Tag in der Nähe geblieben, eine kurze Suche in der Umgebung hatte keine Spur von ihr oder sonst einem Menschen zutage gefördert. Jetzt war es schon ziemlich spät, der Wald war pechschwarz, das einzige Licht kam von den Schiffen, die in der Ferne übers Meer zogen, und von Glin Castle, das sich hinter hohen Bäumen verbarg. Er konnte kaum die Hand vor Augen sehen, die Nacht hüllte ihn unerbittlich ein, aber er hatte Angst wegzugehen. Was, wenn er Sandy verpasste? Was, wenn jemand das Auto abschleppen ließ und ihm damit Donal und alle möglichen

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