Vermiss mein nicht
die Kinder wieder in die Schule, sie sollen nicht hier rumstehen und glotzen.« Wieder mein Retter.
Sean, Sean, Sean. Ich kannte den Namen. Und die Stimme auch.
»Wo kommt das Blut her?« Das hörte sich etwas panisch an.
»Von ihrem Kopf. Schaff endlich die Leute weg.« Wieder wurde meine Hand gedrückt.
»Er hat sie ordentlich erwischt, der Mistkerl.«
»Ich weiß, ich hab’s gesehen. Vom Fenster. Wir brauchen einen Notarzt.«
Seans Rufe, die Kinder sollten ins Haus gehen, entfernten sich, und ich blieb in der hallenden Stille mit meinem Engel zurück. Weiche Lippen senkten sich auf meine Hand.
»Mach die Augen auf, Sandy«, flüsterte er. »Bitte.«
Ich bemühte mich, aber es ging nicht. Meine Augenlider waren wie zusammengeklebt, eine Lotusblüte im Schlamm, die man zwingt, die Blütenblätter vor der Zeit zu entfalten. Unbeholfen und stockend bewegten sich meine Gedanken, mein Kopf war schwer, dröhnte und pulsierte unter der außergewöhnlichen Kraft der schützenden Hand, die ihn hielt. Der Boden fühlte sich kalt und grob an. Beton. Warum lag ich hier? Ich wollte aufstehen, aber mein Körper widersetzte sich, und meine Augen ließen sich noch immer nicht öffnen.
Von ferne hörte ich die Sirene der Ambulanz. Endlich schaffte ich es, die Augen wenigstens einen Schlitz zu öffnen. Aha. Mr. Burton. Mein Retter. Er hielt mich in den Armen, sah auf mich herab, als hätte er Gold im Asphalt von Leitrim gefunden. Auf seinem Hemd war Blut. War er verletzt? Jedenfalls sahen seine Augen aus, als hätte er Schmerzen. Auf einmal fiel mir der dicke Pickel auf meinem Kinn ein. Den ganzen Tag schon wünschte ich mir, ich hätte ihn heute Morgen gleich ausgedrückt. Ich versuchte, ihn mit der Hand zuzudecken, aber leider fühlte sich mein ganzer Arm an, als hätte man ihn in Beton getunkt und trocknen lassen. Er war bleischwer, tat weh und ließ sich kaum einen Millimeter vom nassen Boden heben.
»Oh, Gott sei Dank«, flüsterte Gregory, und seine Hand hielt meine noch fester. »Beweg dich nicht, der Notarzt wird gleich da sein.«
Aber ich musste den Pickel verstecken! Nach vier Jahren war ich Mr. Burton endlich so nahe, wie ich es mir immer gewünscht hatte, und ausgerechnet jetzt sah ich furchtbar aus – meine siebzehnjährigen Hormone ruinierten diesen wundervollen Augenblick! Aber Moment mal, er hatte gesagt, der Notarzt würde kommen! Was war geschehen? Als ich zu sprechen versuchte, kam mit Müh und Not ein Krächzen aus meinem Mund.
»Alles wird gut«, beruhigte er mich, und sein Gesicht schwebte ganz nah über meinem.
Ich glaubte ihm und vergaß für einen Moment meine Schmerzen, versuchte aber wieder, an den Pickel zu kommen.
»Ich weiß, was du vorhast, Sandy, also lass es lieber!«, befahl mir Gregory mit einem betont lockeren Lachen, während er behutsam meinen Arm von meinem Gesicht zog.
Ich ächzte, immer noch unfähig, Worte hervorzubringen.
»Der Pickel ist gar nicht so schrecklich, weißt du. Er heißt Henry, und er hat mir Gesellschaft geleistet, als du unhöflicherweise in Ohnmacht gefallen bist. Henry, darf ich dir Sandy vorstellen, Sandy, darf ich dich mit Henry bekannt machen? Obwohl ich befürchte, dass du hier nicht wirklich willkommen bist, Henry.« Wieder fuhr er mir mit dem Finger sanft übers Kinn, wobei er den Pickel leicht streifte, als wäre er das Allerschönste an mir.
Da lag ich nun, mit einer blutenden Wunde am Kopf, einem Pickel namens Henry am Kinn und einem Gesicht, das so rot war, dass der Mars wahrscheinlich glaubte, er hätte sein Spiegelbild gefunden. Ich wollte die Augen wieder schließen, denn der Himmel war so hell, dass er meine Pupillen durchbohrte und mir schmerzhafte Speerspitzen in die Augen und meinen sowieso schon dröhnenden Kopf trieb.
»Lass die Augen offen, Sandy«, sagte Gregory ziemlich laut.
Gehorsam tat ich, was er sagte, und sah die Sorge in seinem Gesicht, bevor er Gelegenheit hatte, sie zu verstecken.
»Ich bin müde«, flüsterte ich endlich.
»Das weiß ich«, antwortete er und hielt mich fester. »Aber bleib noch eine Weile mit mir wach, leiste mir Gesellschaft, bis der Notarzt hier ist«, flehte er. »Versprochen?«
»Versprochen«, flüsterte ich, bevor sich meine Augen ganz von selbst wieder schlossen.
Nun traf eine zweite Sirene ein, ein Auto stoppte neben uns, ich spürte die Vibrationen auf dem Beton neben meinem Kopf und bekam Angst, dass die Reifen mich überrollen würden. Türen wurden aufgerissen und zugeknallt.
»Er ist
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