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Vermiss mein nicht

Vermiss mein nicht

Titel: Vermiss mein nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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geparkt und ist laufen gegangen, oder der Tank war leer, oder der Motor wollte nicht anspringen oder sonst was. Jedenfalls ist es grade mal gut vierundzwanzig Stunden her, dass du dich mit ihr treffen wolltest – kein Grund zur Panik.«
    »Ich dachte, die ersten vierundzwanzig Stunden sind meistens die wichtigsten«, stieß Jack zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
    »Wenn jemand vermisst wird, Jack, dann schon, aber Sandy Shortt wird nicht wirklich vermisst. Sie verschwindet gern mal für eine Zeit. Nach dem, was ihre ehemaligen Kollegen sagen, kannst du davon ausgehen, dass sie sich in den nächsten paar Tagen bei dir meldet. Anscheinend ist das normal für sie. Meistens weiß nicht mal ihre eigene Familie, wo sie ist.«
    Jack schwieg.
    »Wenn ich dir einen Rat geben darf – sei vorsichtig mit solchen Leuten, Jack. Agenturen wie die von Sandy Shortt haben es nur darauf abgesehen, dir dein Geld aus der Tasche zu ziehen, weißt du. Mich würde es nicht wundern, wenn sie sich einfach abgeseilt hat. Sie kann ohnehin nicht mehr tun, als wir schon getan haben. Wo will sie denn noch suchen? Wir waren doch schon so gut wie überall.«
    Sandy hatte überhaupt kein Geld von Jack genommen, denn sie wusste, dass Jack keines hatte.
    »Ich musste irgendwas machen«, antwortete er halbherzig. Ihm gefiel es nicht, wie Graham über Sandy sprach. Er glaubte nicht, dass sie es darauf abgesehen hatte, ihn über den Tisch zu ziehen, er glaubte nicht, dass sie ohne ihr Handy, ohne ihre Akte, ohne ihr Notizbuch und vor allem ohne ihr Auto zu weiteren Ermittlungen losgezogen war, er glaubte auch nicht, dass sie mitten in der Nacht joggte. Nichts von dem, was Graham ihm erzählte, ergab für ihn einen Sinn, aber auch nichts von dem, was Jack erzählt hatte, schien sonderlich einleuchtend. Er hatte sich ganz von seinen Gefühlen leiten lassen, von Gefühlen, die natürlich von Donals Verschwinden beeinflusst waren, und auch davon, dass er eine Woche lang mit einer Frau, die er nicht kannte, nächtliche Telefongespräche geführt hatte.
    »Verstehe«, erwiderte Graham. »Vermutlich hätte ich an deiner Stelle das Gleiche getan.«
    »Was ist mit dem Zeug in ihrem Auto?«, entschied Jack sich zu bluffen.
    »Mit welchem Zeug?«
    »Ich hab ihr Donals Akte und noch ein paar Dinge geschickt, und die hab ich in ihrem Auto liegen sehen. Wenn sie mit meinem Geld abhauen will, dann hätte ich wenigstens gern meine Sachen zurück.«
    »Richtig«, pflichtete Graham ihm sofort bei. »Ich geb dir die Nummer von einem Freund in der Gegend, der macht dir den Wagen auf, ohne Fragen zu stellen.«
    »Danke, Graham.«
    »Gern geschehen.«
     
    Ein paar Stunden später, als die Sonne über dem Estuary aufging und orangerote Farbstreifen auf schwarze Wellen malte, saß Jack in Sandys Auto, blätterte Donals Akte und die Polizeiberichte durch, die Sandy mit Hilfe ihrer Polizeikontakte beschafft hatte. Ihr Notizbuch zeigte, dass sie geplant hatte, am folgenden Tag nach Limerick zu fahren, um einen von Donals Freunden zu besuchen – Alan O’Connor, der in der Nacht, als Donal verschwunden war, zu seinen Begleitern gehört hatte. Beim Gedanken, sie womöglich dort zu finden, schöpfte er wieder Hoffnung. In der winzigen Schrottkiste roch es wegen des Wunderbaums, der vom Rückspiegel hing, durchdringend nach Vanille, gemischt mit dem abgestandenen Kaffeeduft aus dem Pappbecher, der darunter stand. Allerdings fand er in dem Auto nichts, was ihm sonst noch irgendwelche Hinweise darauf vermittelte, was für ein Mensch Sandy war. Keine Verpackungsreste, keine CD s oder Kassetten, die ihren Musikgeschmack offenbarten. Nur ein altes, kaltes Auto, in dem sie Arbeitsmaterial und abgestandenen Kaffee hinterlassen hatte.
    Keine Seele – die hatte sie offensichtlich mitgenommen.

Einundzwanzig
    Ich erwachte auf derselben Couch, hatte aber keine Ahnung, wie lange ich geschlafen hatte. Auf der Armlehne kauerte das kleine Mädchen mit dem wilden schwarzen Lockenkopf und betrachtete mich mit den gleichen durchdringenden kaffeeschwarzen Augen wie ihr Großvater.
    Ich fuhr auf.
    Das Mädchen lächelte, Grübchen erschienen in ihrer gelblichbraunen Haut, und die Farbe ihrer Augen wechselte zu einem etwas weicheren Braun. »Hi«, zwitscherte sie.
    Ich sah mich im Zimmer um. Abgesehen von dem orangefarbenen Licht, das unter der Küchentür durchschimmerte und den Fußboden so weit erhellte, dass ich meine Umgebung halbwegs ausmachen konnte, war es dunkel. Der Himmel vor

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