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Vermiss mein nicht

Vermiss mein nicht

Titel: Vermiss mein nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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Haus. Es war fürchterlich. Schließlich musste er seinen Job aufgeben, weil ihm ständig eine ganze Meute auf den Fersen war.«
    »Was hatte er denn für einen Job?«
    »Er war Postbote.«
    »Postbote? Hier?« Ich verzog verwundert das Gesicht.
    »Was ist so komisch daran? Hier wird so was mehr gebraucht als sonst irgendwo. Briefe, Nachrichten, Pakete – alles muss in die verschiedenen Dörfer geliefert werden, denn wir haben zwar Telefone, Fernseher und Computer, aber sie funktionieren nicht, man kriegt bloß Schneegestöber. Jedenfalls konnte der Mann nicht mehr ungestört über die Dörfer radeln. Die Dorfbewohner haben geschimpft, aber die Leute, die ihm folgten, waren fest überzeugt, er würde wie durch ein Wunder plötzlich den Weg hier raus finden.«
    »Und was ist dann passiert?«, fragte ich, gespannt auf der Sofakante kauernd.
    »Das hat ihn verrückt gemacht, noch verrückter, als er schon war. Er hatte ja nirgends seine Ruhe.«
    »Wo ist er jetzt?«
    »Keine Ahnung«, antwortete Bobby achselzuckend, und auf einmal schien ihn die Geschichte zu langweilen. »Er ist verschwunden. Wahrscheinlich ist er in ein anderes Dorf gezogen oder so. Joseph müsste es wissen, die beiden waren eng befreundet. Sie können ihn ja mal fragen.«
    Auf einmal bekam ich eine Gänsehaut.
    »Ist Ihnen kalt?«, fragte Bobby erstaunt. »Ich finde es hier oben immer so warm, ständig bin ich verschwitzt.« Kopfschüttelnd sammelte er unser Geschirr ein.
    Er wirkte ganz gelassen, aber ich beobachtete ihn aus dem Augenwinkel und sah, wie er mich anstarrte, ehe er das Zimmer verließ. Er wollte wissen, ob ich angebissen hatte. Aber da hätte er sich keine Sorgen zu machen brauchen. Ich hatte den Köder längst geschnappt.

Sechsunddreißig
    »Kommen Sie, wir können uns unterwegs weiter unterhalten«, sagte Bobby und packte meine Hand, um mich hochzuziehen.
    »Wohin gehen wir?«
    »Zu den Proben natürlich. Sie müssen die Sache mit dem Theaterstück unbedingt durchziehen, das ist jetzt wichtiger denn je. Die Leute werden Sie im Auge behalten.«
    Wieder überlief mich eine Gänsehaut, und ich fröstelte. Als wir unten waren, begann Bobby, mir Klamotten hinzuwerfen.
    »Was machen Sie denn da?«
    »Die Leute werden Sie eher ernst nehmen, wenn Sie nicht aussehen wie Sindbad der Seefahrer.« Er drückte mir eine graue Nadelstreifenhose und eine blaue Bluse in die Hand.
    »Die haben ja tatsächlich die richtige Größe«, staunte ich, nachdem ich sie prüfend angesehen hatte.
    »Ja, aber ich hab vergessen, dass Sie so lange Beine haben«, meinte er, während er an mir heruntersah und nachdenklich auf der Unterlippe kaute.
    »Der Fluch meines Lebens«, stellte ich fest, verdrehte die Augen und gab die Hose zurück.
    »Kein Problem, ich hab das Richtige für Sie!«, rief er und sauste zum anderen Ende des Geschäfts. »Dieser ganze Ständer ist für Leute mit extrem langen Beinen.« Während ich mich umschaute wie ein Kind im Bonbonladen, schob er eifrig Bügel hin und her. Noch nie in meinem Leben war ich einer solchen Auswahl begegnet.
    »Meine Güte, womöglich werde ich hier doch noch glücklich.« Versonnen fuhr ich mit der Hand über die Stoffe.
    »Hier, bitte.« Bobby reichte mir eine Hose, die genau aussah wie die andere, nur länger. »Beeilen Sie sich, wir wollen ja nicht zu spät kommen.«
    Kurz darauf traten wir hinaus in den sonnigen Tag, und mir taten nach dem langen Aufenthalt in der Dunkelheit des Ladens die Augen weh. Sofort waren wir umringt von emsiger Geschäftigkeit. Menschen riefen, feilschten, lachten und unterhielten sich in allen möglichen Sprachen. Ein Schmelztiegel der Kulturen. Während ich in meinen neuen Klamotten für alle gut sichtbar auf der Veranda stand und auf Bobby wartete, der erst noch den Laden abschließen musste, merkte ich, dass mich ein paar Frauen unverwandt anstarrten und aufgeregt miteinander tuschelten.
    »Da ist sie«, hörte ich eine von ihnen flüstern, so laut, dass ich mich fragte, wie sie sich einbilden konnte, ich würde sie nicht hören. Dann schubste die Gruppe eine Frau nach vorn, und sie stolperte auf uns zu, als wir die Treppe herunterstiegen.
    »Hi«, sagte sie und stellte sich uns in den Weg.
    Bobby wollte um sie herumgehen, aber sie machte schnell einen Schritt nach links.
    »Hi«, wiederholte die Frau und glotzte mich an, während sie Bobby geflissentlich ignorierte.
    »Hi«, antwortete ich. Der Rest der Gruppe ließ uns keine Sekunde aus den Augen.
    »Mein Name ist Christine

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