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Vermiss mein nicht

Vermiss mein nicht

Titel: Vermiss mein nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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Beziehung gewesen – er versuchte herauszufinden, wie ich tickte, und mich nebenbei daran zu hindern,
seinem
Innenleben auf die Schliche zu kommen.
    Bei einer ernsteren, einer
intimeren
Beziehung war es umgekehrt, wie sich herausstellte. Ich musste mich immer wieder daran erinnern, ihn nach sich selbst zu fragen, und daran, dass er nicht alles wissen konnte, was in meinem Kopf vorging. Manche Dinge mussten aus reinem Selbsterhaltungstrieb zurückgehalten werden, und in gewisser Weise hatte ich meinen engsten Vertrauten verloren. Je näher wir uns kamen, desto weniger wusste er über mich, und desto mehr erfuhr ich über ihn.
    Aus der wöchentlichen Stunde war mehr geworden, wir hatten unsere Rollen getauscht. Wer hätte gedacht, dass Mr. Burton jenseits der Mauern unserer Schule ein Leben hatte? Er kannte Leute und tat Dinge, von denen ich keine Ahnung hatte. Dinge, die ich jetzt auf einmal wissen durfte, ohne dass ich mir sicher war, ob ich sie überhaupt wissen
wollte
. Wie konnte ein Mensch wie ich, die ich unfähig war, das Bett
und
die Gedanken mit jemandem zu teilen, da nicht das Bedürfnis verspüren, vor all dem die Flucht zu ergreifen? Es war nur natürlich, dass ich hin und wieder für ein paar Tage von der Bildfläche verschwand.
    Nein, der Altersunterschied spielte keine Rolle, das war nie der Fall gewesen. Doch so wenig die Jahre zwischen uns ins Gewicht fielen, so sehr tat es die Zeit: Unsere neue Beziehung existierte, ohne dass die Uhr tickte! Kein großer Zeiger diktierte das Ende eines Gesprächs, keine Glocke rettete mich. Er hatte jederzeit Zugang zu mir. Logisch, dass ich gelegentlich eine Auszeit brauchte!
    Die Grenze zwischen Liebe und Hass ist extrem schmal. Liebe macht die Seele frei, und gleichzeitig kann sie sie gnadenlos ersticken. Mit der Anmut eines Elefanten balancierte ich auf diesem dünnen Seil – mein Kopf zog mich auf die Seite des Hasses, mein Herz auf die Seite der Liebe. Es war eine wacklige Angelegenheit, und manchmal stürzte ich ab. Manchmal stürzte ich sehr lange ab, aber nie
zu
lange.
    Nie so lange wie dieses Mal.
    Ich bin kein Mensch, der um jeden Preis gemocht werden will, dieses Bedürfnis hatte ich nie, genauso wenig wie den Wunsch, verstanden zu werden. Doch wenn ich mich für eine Weile mit unbekanntem Ziel verkrümelte, wenn ich ihn allein in seinem Bett liegen ließ, seine Hand wegschob, das Telefon herauszog und die Tür hinter mir schloss, hatte sogar ich selbst Schwierigkeiten damit, mich zu mögen und zu verstehen. Aber so war es nun mal.
    Und genau das ist der Punkt. So war
ich
nun mal.

Fünfunddreißig
    Bobby stand in der Tür zum Lagerraum, die Arme vor der Brust verschränkt, und machte ein böses Gesicht.
    »Was?« Ich richtete mich auf und stellte mich vor ihn. Jetzt, da ich mit meinen einsfünfundachtzig vor ihm aufragte, wirkte er gleich etwas weniger selbstbewusst, ließ schließlich die Hände sinken und sah zu mir auf, als ich fragte: »Sie heißen also nicht Bobby Stanley?«
    »Nein, alle hier glauben, ich heiße Bobby Duke«, erwiderte er abwehrend, vorwurfsvoll, kindisch.
    »Bobby
Duke
?«, wiederholte ich und rieb mir frustriert das Gesicht. »Was soll das denn?«, wiederholte ich. »Wie der Typ aus den Cowboyfilmen? Warum?«
    »Das spielt doch keine Rolle«, antwortete er errötend. »Das Problem hier ist doch, dass Sie als Einzige meinen richtigen Namen wissen. Woher?«
    »Ich kenne Ihre Mutter, Bobby«, erklärte ich leise. »Ganz einfach, kein großes Wunder.« Die ganzen letzten Tage hatten aus Geheimnissen, Rätseln und kleinen Notlügen bestanden. Das musste jetzt aufhören. Schließlich wollte ich die Leute kennenlernen, nach denen ich gesucht hatte, ihnen sagen, was ich wusste, und sie nach Hause führen. Das war mein Plan. Während mir das alles durch den Kopf ging, merkte ich auf einmal, dass Bobby ganz still und auch ein bisschen blass geworden war.
    »Bobby?«, fragte ich besorgt.
    Er sagte nichts, sondern wich nur ein wenig von der Tür zurück.
    »Bobby, ist alles okay?«, erkundigte ich mich noch ein bisschen sanfter.
    »Ja«, antwortete er, obwohl er gar nicht so aussah.
    »Sicher?«
    »Irgendwie hab ich es geahnt«, sagte er leise.
    »Was?«
    »Ich hab mir schon gedacht, dass Sie meine Mum kennen. Nicht erst, als ich heute Morgen die Tür aufgemacht habe und Sie mich Mr. Stanley genannt haben, und nicht erst, als alle, die vom Vorsprechen kamen, mir erzählt haben, dass Sie so viel wissen. Ich hab’s gewusst, weil dauernd

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