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Vermiss mein nicht

Vermiss mein nicht

Titel: Vermiss mein nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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hätte zu gerne weitergemampft, aber Bobbys Gesichtsausdruck zeigte mir unmissverständlich, dass ich es seiner Mutter schuldete, auf der Stelle weiterzuerzählen.
    »Sie wollen also etwas über Ihre Mum wissen?« Hastig spülte ich die noch verbleibenden Krümel mit Orangensaft hinunter.
    »Nein«, antwortete er kopfschüttelnd. »Ich möchte etwas über Sie wissen.«
    Fast hätte ich den Saft ins Glas zurückgespuckt.
    »Über mich?«
    Er nickte ungerührt und machte es sich auf der Couch bequem. Mit offenem Mund sah ich ihn an und fühlte mich auf einmal sehr unbehaglich.
    »Man hat mir erzählt, dass Sie eine Schauspielagentur leiten. Haben Sie sich da mit meiner Mutter angefreundet?«
    »Nein, nicht wirklich.«
    »Das wundert mich nicht.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Sie haben gar keine Schauspielagentur, oder? Dafür sind Sie nicht der Typ.«
    Ich staunte, und irgendwie war ich auch ein bisschen gekränkt. »Warum? Was für ein Typ muss man denn sein, um eine Schauspielagentur zu haben?«
    »Jedenfalls anders als Sie«, grinste er. »Was machen Sie in Wirklichkeit?«
    »Ich suche«, antwortete ich und grinste ebenfalls.
    »Nach Talenten?«
    »Nein, nach Menschen.«
    »Nach talentierten Menschen?«
    »Vermutlich haben die Leute, nach denen ich suche, auch jede Menge Talent – obwohl ich mir bei Ihnen da gar nicht so sicher bin.« Als Bobby mich verwirrt ansah, beschloss ich, die Witzchen lieber zu lassen und ihm stattdessen mein Vertrauen zu schenken. »Ich habe eine Agentur für Personensuche, Bobby.«
    Zuerst sah er schockiert aus, aber dann nickte er langsam, begann zu lächeln, zu grinsen und schließlich zu lachen. Und da dieses Lachen ebenso vertraut wie ansteckend war, lachte ich mit.
    Aber auf einmal hielt Bobby inne. »Sind Sie hier, um uns alle nach Hause zu bringen, oder nur zu Besuch?«
    Ich musterte sein hoffnungsvolles Gesicht und wurde traurig. »Weder noch. Ich sitze hier fest wie alle anderen.«
    In den schlimmsten Augenblicken des Lebens bleiben einem meistens zwei Dinge zu tun: Man kann 1) zusammenbrechen, mit den Fäusten auf den Boden trommeln, mit den Beinen strampeln und sich schlicht weigern weiterzumachen, oder man kann 2) lachen. Bobby und ich entschieden uns für Letzteres.
    »Okay, verraten Sie das bloß keinem.«
    »Ich hab mit niemandem darüber gesprochen, und außer Helena und Joseph weiß es niemand.«
    »Gut, denen können wir trauen. War die Idee mit dem Theaterstück von Helena?«
    Ich nickte.
    »Schlauer Schachzug«, lobte er, und seine Augen funkelten schelmisch. »Sandy, Sie müssen echt vorsichtig sein, heute Morgen haben die Leute im Speisehaus schon ziemlich viel geredet.«
    »Reden die Leute im Speisehaus für gewöhnlich nicht?«, scherzte ich und biss endlich in den Rest meines Croissants.
    »Kommen Sie, das ist eine ernste Sache. Die Leute haben natürlich über Sie geredet. Jeder aus dem Ensemble hat Freunden und Familien erzählt, was Sie gesagt haben, und die haben es ein paar anderen weitergesagt, und inzwischen sind Sie in aller Munde.«
    »Ist das denn so schlimm? Ich meine, was schadet es, wenn alle wissen, dass ich vermisste Menschen gesucht habe?«
    Bobby riss die Augen auf. »Sind Sie verrückt? Die meisten Leute hier haben sich eingewöhnt und würden nicht mal in ihr altes Leben zurückwollen, wenn man ihnen Geld dafür gibt – und das nicht nur deshalb, weil Geld hier überhaupt keinen Nutzen hätte. Aber es gibt auch eine Anzahl von Menschen, die so drauf sind wie ich, als ich angekommen bin. Sie haben hier keine Wurzeln geschlagen, weil sie immer noch nach einem Ausweg suchen. Und diese Leute werden sich so fest an Ihren Rockzipfel klammern, dass Sie sich wünschen, Sie hätten nie den Mund aufgemacht.«
    »Genau das hat Helena auch gesagt. Ist so was Ähnliches schon mal passiert?«
    »Ob es schon mal passiert ist? Das kann man wohl sagen. Na ja, es waren nicht genau die gleichen Bedingungen«, erklärte er, wedelte wegwerfend mit der Hand und legte jede Theatralik ab. »Einige Jahre, bevor ich herkam, hat irgendein älterer Typ behauptet, dass im Gegensatz zur allgemeinen Überzeugung sehr wohl immer wieder Dinge verloren gehen. Wenn Sie mich fragen, hatte er vor allem den Verstand verloren. Aber sobald die Leute das hörten, konnte er nicht mal mehr alleine pissen gehen. Überallhin folgte ihm ein Kometenschweif von Menschen. Wenn er ins Speisehaus ging, scharten sie sich um seinen Tisch, sie folgten ihm in die Geschäfte, sie belagerten sein

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