Verneig dich vor dem Tod
aus, als werde er gleich vor Zorn zerspringen, aber Bruder Willibrod legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm.
»Komm mit, Eadulf von Seaxmund’s Ham«, sagte AbtCild schließlich, drehte sich um und lief mit schnellen Schritten voran den Gang entlang und über den Hof zur Kapelle der Abtei. Einige wenige Brüder begegneten ihnen und eilten mit gesenkten Köpfen und gefalteten Händen an ihnen vorbei. Eadulf spürte, wie sie ihn beobachteten, als er dem Abt folgte. Hinter ihm kam Bruder Willibrod. Bruder Beornwulf war angewiesen worden, auf seinem Posten vor der Tür des Gästezimmers zu bleiben.
Abt Cild ging geradewegs auf die Kapelle zu und trat ein. Er marschierte sofort zum Hochaltar und blieb davor stehen. Mit ausgestrecktem Arm wies er auf den Altar.
Er sprach kein Wort, aber das brauchte er auch nicht. Was er Eadulf zeigen wollte, war deutlich zu sehen, und seine Bedeutung war offenkundig.
Mitten auf dem Hochaltar lag eine tote Katze. Ein Messer mit einem Knochengriff nagelte sie darauf fest. Eadulf hatte solche Messer schon früher gesehen. In der alten Zeit, bevor der neue Glaube das Volk Wuffas im Land der Ost-Angeln erreichte, trugen die Priester Wotans und Thunors solche Waffen, deren Knochengriffe mit eingeritzten heiligen Symbolen verziert waren. Es waren Opfermesser.
»Es ist das Zeichen des heidnischen Götzendienstes«, flüsterte Bruder Willibrod und bekreuzigte sich. »Wir wissen alle, daß heute das Julfest ist.«
Wider Willen konnte Eadulf nicht verhindern, daß ihn ein Schauer überlief. Er versuchte sich zu erinnern, wo er kürzlich von der Opferung einer schwarzen Katze auf dem Altar gehört hatte.
»Die Geisterbeschwörung und jetzt – das!« murmelte Abt Cild.
Eadulf blickte ihn rasch an.
»Du bringst anscheinend diese beiden Dinge miteinander in Verbindung?«
»Beide riechen nach böser Kunst!« rief der Abt.
»Sie riechen nach einem bösen Gemüt«, entgegnete Eadulf. »Die Frage ist nur – wessen Gemüt?«
»Meine Antwort bleibt dieselbe. Nichts dieser Art hat sich in Aldreds Abtei ereignet, bis du und diese fremde Frau hergekommen seid.«
»Und ich habe gesagt, das ist überhaupt keine Antwort. Was kann denn eine irische Nonne von heidnischen angelsächsischen Göttern und ihren Riten wissen? Wir sind nicht verantwortlich für diese« – er wies auf den Altar – »diese Entweihung, und ebensowenig sind wir verantwortlich für andere böse Taten, die hier in dieser Abtei verübt wurden.«
»Das werdet ihr beweisen müssen«, fauchte der Abt. »Bruder Willibrod, du wirst dafür sorgen, daß das da verschwindet. Ich werde den Altar segnen und ihn wieder weihen.«
»So soll es sein, Pater Abt«, murmelte der
dominus
und warf Eadulf einen beinahe entschuldigenden Blick zu. Er machte sich daran, den Befehl des Abts auszuführen.
Der Abt betrachtete Eadulf mit einem Blick, in dem sich Abneigung mit etwas anderem mischte. Plötzlich wurde Eadulf klar, daß Furcht in den Augen des Mannes zu lesen war. Abt Cild hatte tatsächlich Angst vor ihm.
»Du gehst in das Gästezimmer zurück und bleibst dort, bis ich dich holen lasse. Das wird geschehen, sobald ich so weit bin, die Anklage in aller Form anzuhören und das Urteil zu sprechen.«
Eadulf war entsetzt. »Und was ist mit meinem Recht, Schwester Fidelma und mich zu verteidigen?«
»Dieses Recht bekommst du zu gegebener Zeit.«
»Aber habe ich denn kein Recht auf Freiheit, damit ich Nachforschungen anstellen und die Verteidigung vorbereiten kann?«
Abt Cilds Augen verengten sich. »Du hast jetzt kein Recht auf Freiheit mehr. Nach dieser Entweihung hast du das Recht auf Freiheit verloren. Wäre ich ein weniger nachsichtiger Mensch, hätte ich euch beide sofort festnehmen und verbrennen lassen für das Unheil, das ihr über diese Abtei gebracht habt.«
Eadulf klappte den Mund zu. Er begriff, daß das verstockte Gemüt dieses Mannes nicht zu bewegen war. In dem Moment wurde ihm klar, daß Bruder Higbald wahrscheinlich recht hatte. Er mußte Fidelma so schnell wie möglich in Sicherheit bringen. Aber nach so einem Fieberanfall wäre es in höchstem Maße unvorsichtig, sie in die kalte, tief verschneite Welt hinauszuführen, ohne daß sie ein paar Tage Zeit gehabt hätte, sich zu erholen.
»Nun gut, Abt Cild«, sagte er langsam. »Ich merke, daß du darauf aus bist, dein Vorgehen gegen uns weiter zu betreiben, so blind und böswillig es auch ist. Ich werde erst wieder aus der Tür des Gästezimmers herauskommen, wenn ich
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