Verneig dich vor dem Tod
seinem Freund zu helfen.
Das letzte Zitat war ebenfalls seltsam, und Bruder Botulfhatte wiederum seine Quelle angegeben. »Kann auch jemand Feuer im Busen behalten, daß seine Kleider nicht brennen? Wie sollte jemand auf Kohlen gehen, daß seine Füße nicht verbrannt würden? Sprüche Salomos.« Hinzugefügt war der Satz: »So ist es mit Brettas Sohn.«
Eadulf lehnte sich stirnrunzelnd zurück und versuchte, die Aufzeichnungen seines toten Freundes zu enträtseln. Was war in Botulf vorgegangen? Verständlich war allein die Bemerkung über Brettas Sohn. Aber inzwischen hatte er erfahren, daß Aldhere und Cild beide Brettas Söhne waren, und jeder von ihnen hatte sicherlich »Feuer im Busen«. Alles andere ergab keinen Sinn. Er steckte das Papier zurück in den
sacculus.
Nachdenklich stand er auf und trat zum Bett, um nach Fidelma zu sehen. Es hatte sich nichts verändert. Vielleicht hatte Higbald recht. Es war wohl das klügste, mit Fidelma die Abtei zu verlassen, sobald sie dazu in der Lage war.
Er setzte sich wieder hin und versuchte sich zu entspannen.
Was würde Fidelma unter den gegebenen Umständen tun? Er wußte, daß sie sich bemühen würde, dem Geheimnis, das auf dieser düsteren Abtei lastete, auf den Grund zu gehen. Er wußte aber auch, daß ihre Sicherheit Vorrang hatte. Es war klar, daß Abt Cild keine Skrupel hatte, seine Drohung wahr zu machen. Auf Rang oder Stellung nahm er keinerlei Rücksicht.
Eadulf war zur Abtei zurückgekommen mit der Absicht, Garb und seine Leute zu suchen. Man hatte ihm gesagt, am ehesten seien sie wohl bei einer Gemeinschaft im Wald von Tunstall zu finden, und der lag südlich von der Abtei. Den hatte er sich zum Ziel genommen. Vielleicht sollte er mitFidelma dorthin gehen, wenn sie sich genügend erholt hatte? Dort wäre sie wenigstens bei ihren eigenen Landsleuten, die ihr wegen ihres Ranges und Amtes Schutz bieten würden.
Eadulfs Gedanken schienen immer langsamer zu kreisen, abzuschweifen, sich zu verlieren, und dann versank er in einen unruhigen Schlaf voller furchterregender Gesichte, verworrener Bilder, die völlig sinnlos blieben.
Auf einmal nahm er wahr, daß jemand ihn wütend und fordernd anschrie.
Jäh wachte er auf. Er lag unbequem auf seinem Stuhl. Dicht vor seinem Gesicht erblickte er die zornige Miene Abt Cilds. Eadulf fuhr auf.
»Was ist los?« fragte er und versuchte sich zu sammeln.
»Willst du behaupten, daß du hier die ganze Zeit geschlafen hast?«
Eadulf bemühte sich, die Schlaftrunkenheit abzuschütteln. Er sah, daß Bruder Willibrod sich mit besorgter Miene hinter dem Abt hielt und angstvoll die Hände rang. Neben ihm stand der unerschütterliche Bruder Beornwulf.
»Es ist so, wie ich sagte, Pater Abt«, versicherte Bruder Willibrod, »weder die Frau noch der Mann hat das Zimmer verlassen. Bruder Beornwulf hütete die ganze Nacht die Tür.«
Nun war Eadulf wach und stand auf, wodurch er den Abt, der sich über seinen Stuhl gebeugt hatte, zwang, zurückzutreten.
»Was hat das zu bedeuten?« fragte Eadulf in scharfem, aber gedämpftem Ton. Er blickte hinüber zu Fidelma, trat zu ihr und befühlte ihre Stirn. Eine Woge der Erleichterung durchflutete ihn.
»Gut! Das Fieber läßt nach. Es geht aufwärts mit ihr.« Dann fuhr er herum zu dem mürrischen Abt. »Sie braucht jetzt ihren gesunden Schlaf.«
Mit der ganzen Kraft seiner Persönlichkeit schob er den Abt, den
dominus
und den Wächter aus dem Zimmer auf den Gang hinaus. Er schloß die Tür und wandte sich ihnen mit finsterer Miene zu. Er wurde laut.
»Ihr habt hoffentlich eine triftige Erklärung dafür, daß ihr mitten in der Nacht in ein Krankenzimmer hineinstürmt?«
Abt Cild blieb unbeeindruckt.
»Wart ihr, du und deine Gefährtin, in diesem Zimmer seit der Zeit, als du mich gestern abend verlassen hast?«
Eadulf gewahrte ein mattes Licht, das durch die Fenster hereindrang. Er merkte, daß die Morgendämmerung nicht mehr weit sein konnte. Aus der Ferne kamen die Laute erwachender Vögel. Er mußte mehrere Stunden geschlafen haben.
»Wo sollte ich denn sonst gewesen sein?« antwortete er schroff. »Schwester Fidelma ist überhaupt noch nicht in der Lage, ihr Bett zu verlassen.«
»Es ist so, wie ich gesagt habe, Pater Abt«, wiederholte Bruder Willibrod gekränkt. »Bruder Beornwulf stand die ganze Nacht vor der Tür.«
»Was sollen wir denn jetzt wieder verbrochen haben?« forderte Eadulf den Abt heraus. »Hast du einen neuen Vorwurf gegen uns erfunden?«
Abt Cild sah
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