Verneig dich vor dem Tod
noch zu schaffen.
Vorsichtig suchte Eadulf den Weg durch den Wald und das Unterholz. Nach einiger Zeit erblickte er eine Holzfällerhütte ein Stück oberhalb am Hang eines Hügels. Eine dünne Rauchfahne schlängelte sich aus dem Schornstein. Sie waren zwar noch nicht weit von der Abtei entfernt, doch Eadulf glaubte, es könnte ein geeigneter Ort sein, an dem Fidelma sich ausruhen konnte. Sie hatte ihn gerade wieder eingeholt.
»Ich sehe mal nach, ob man uns in dieser Holzfällerhütte aufnimmt«, erklärte er ihr. »Am besten, du setzt dich solange auf den Baumstamm hier.«
Fidelma ließ sich dankbar auf den Baumstamm sinken, um wieder zu Atem zu kommen. Sie schaute hoch zu der Hütte.
»Sind wir nicht noch zu dicht bei der Abtei, um länger zu rasten? Wenn die Abtei überfallen wird, könnten die Angreifer auch diese Richtung einschlagen.«
Eadulf schüttelte den Kopf. »Ich glaube, eine Weile sind wir noch sicher.«
»Ich würde lieber eine möglichst große Entfernung zwischen uns und die Abtei bringen, aber …« Sie zuckte die Achseln. Sie war zu schwach, um sich mit ihm zu streiten.
Eadulf machte sich auf den Weg zur Holzfällerhütte. Von außen sah sie verlassen aus, denn es waren weder Hunde noch andere Tiere zu sehen. Doch der Rauchfaden bewies, daß innen ein Feuer brannte, also mußte es auch jemand geben, der es schürte. Zuversichtlich ging er auf die Tür zu. Dann erblickte er ein gesatteltes Pferd, das an einem Pfahl in der Nähe angebunden war. Es schnaubte ein wenig wie nach einem scharfen Ritt. Es war eine schwarze Stute.
Er näherte sich der Hütte und wollte schon an die Tür klopfen, als ein Schrei ihn innehalten ließ. Es war der Schrei einer Frau, der in ein Gelächter auslief. Dann begann die Frau zu sprechen, von Quietschen und Stöhnen unterbrochen.
»Komm, mein Schatz … Aaah, das ist gut … guut … aaah …«
Es war klar, was da drinnen vor sich ging, und Eadulf ließ den Arm sinken. Peinliche Verlegenheit überkam ihn. Da wurde ihm plötzlich mit schmerzlicher Verwunderung bewußt, daß die Frauenstimme irisch gesprochen hatte.
Er zögerte und wußte nicht, wie er sich verhalten sollte. Halb wollte er sich schamhaft abwenden, halb war er neugierig, wer da drin war.
Er unterdrückte sein Schamgefühl und ging vorsichtig dieWand entlang zu einem Fenster. Es hatte kein Glas, und der Vorhang war eingerissen. Er schob sich nahe heran und warf einen Blick in die Hütte. Er achtete darauf, daß er von den Leuten drinnen nicht gesehen werden konnte, und wagte einen längeren Blick. Er kam sich dabei wie ein abnormer Spanner vor.
Er sah, was er erwartet hatte: ein Mann und eine Frau beim Liebesakt. Die Frau schien dabei der aktivere Teil zu sein, sie sprach und stöhnte immerzu. Sie war jung und schlank mit einer rotblonden Mähne. Auf ihrem nackten Körper lag ein untersetzter Mann in mittleren Jahren. An ihm fiel Eadulf sofort auf, daß er die Tonsur des heiligen Petrus trug. Da hob der Mann den Kopf, doch zum Glück für Eadulf war sein eines gesundes Auge im Sinnenrausch geschlossen. Das andere bedeckte eine Lederklappe.
Es war Bruder Willibrod, der
dominus
von Aldreds Abtei.
Eadulf wandte sich rasch ab und schluckte schwer. Er blieb einen Moment stehen und holte Atem, dann ging er den Hügel hinab und durch den Wald zu der Stelle, an der Fidelma ihn geduldig erwartete.
»Dort finden wir keine Aufnahme«, antwortete er kurz auf ihren fragenden Blick. »Wir müssen gleich weiter.«
Fidelma bemerkte seine Verwirrung, stellte aber keine Fragen. Eadulf würde ihr zu gegebener Zeit berichten, was ihn bedrückte.
Sie schritten so schnell aus, wie Fidelma es vermochte, und bald stellten sie fest, daß sie auf ihrem Weg in südlicher Richtung nach Tunstall den Fluß Alde überqueren mußten. Mit starker Strömung und eiskalt, war er zu tief, um ihn zu durchwaten. Eadulf hatte nicht bedacht, daß sie ja die Brückenahe der Abtei nicht benutzen konnten, also am Fluß entlang wandern müßten, bis sie eine geeignete Furt fänden, was einen Umweg von Meilen bedeuten konnte.
Sie hatten, wie er schätzte, gut zwei Meilen zurückgelegt, als Fidelma sagte: »Es tut mir leid, Eadulf, aber ich muß mich wieder eine Weile ausruhen.«
Eadulf sah, daß sie erschöpft war. Ihm war klar, daß sie eine Unterkunft finden mußten, und zwar bald. Er blieb stehen, und war dann froh darüber, denn sonst hätte er das Geräusch wohl nicht gehört. Es war ein Knarren und Quietschen von Holz, und
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