Verneig dich vor dem Tod
ein Kriegervolk und leben auf Bauernhöfen, die sie gerade so ernähren«, erwiderte der Mann. »Selbst zum Mahlen von Korn müssen sie sich Mühlsteine aus dem Frankenland kommen lassen. Solche Mühlsteine aus Lava haben wir herübergebracht, damit die Sachsen ihr Korn mahlen können. Und was bieten sie uns dafür an? Sklaven? Es sind zu viele angelsächsische Sklaven auf dem Markt. Die Entdeckung solcher Sklaven auf dem Markt in Rom hat den heiligen Gregor, den damaligen Bischof von Rom, dazu veranlaßt, Augustinus ins Königreich Kent zu entsenden. Es gibt noch viele Teile dieses Landes, die heidnisch sind, aber ob christlich oder heidnisch, sie exportieren nur Sklaven.«
Eadulf zog ein finsteres Gesicht.
Fidelma hingegen nutzte die Gelegenheit, um noch mehr zu erfahren.
»Ich habe gehört, die Ost-Sachsen sind wieder zu ihren alten Göttern zurückgekehrt«, sagte sie.
Dado war anscheinend der redseligere von den beiden, nachdem er erst einmal in Fahrt gekommen war. Er nickte sofort.
»Wir haben schon viele Geschichten gehört, als wir im Hafen von Gipeswic ankamen. Es heißt, daß König Sigehere alle christlichen Häuser niederbrennt und die Mönche und Nonnen in die Sklaverei verkauft – wenn er sie nicht gleich umbringen läßt.«
»Ich dachte, vielleicht hättet ihr was von einer Kriegerschar gehört, die unten an der Küste gelandet sein soll?«
Dado stieß einen Pfiff aus und sah Dagobert kopfschüttelnd an.
»Davon haben wir nichts gehört. Wann soll das gewesen sein?«
»Heute morgen.«
»Das ist merkwürdig«, meinte Dado stirnrunzelnd.
»Merkwürdig?« fragte Fidelma nach.
»Vor ungefähr einer Stunde machten wir eine Essenspause, und da begegnete uns ein anderer Reisender, ein Reiter. Er war heute früh von der Küste aufgebrochen und sagte nichts von einem Überfall. Aber es ist wahrscheinlich gut, daß wir in unser Heimatland zurückkehren. Ihr solltet das auch tun. Dieses Land hier ist wenig gastfreundlich. Armut, Sklaven und Krieg. Gott gebe uns eine glückliche Heimkehr ins Frankenland.«
»Dazu sage ich amen, Dado«, murmelte der Fahrer.
Eadulf saß stumm und mit geröteten Wangen dabei. Es ärgerte ihn, daß die Fremden auf solche Weise über sein Land sprachen. Das Schlimme war nur, daß ihm nichts einfiel, was er hätte dagegen sagen können. Sein Volk war ein Kriegervolk, das Europa überschwemmt und sich mit dem Schwert genommen hatte, was es erlangen konnte. Bevor der neue Glaube es erreichte, galt als das schönste Lebensende der Tod auf dem Schlachtfeld, mit dem Schwert in der Hand und dem Namen des Gottes Wotan auf den Lippen.
Es war noch keine hundert Jahre her, daß Wuffa, der Sohn des Wehha, sein Volk in dieses Land geführt und sich zum König von Ost-Angeln gemacht hatte, nachdem er dieBriten weiter nach Westen vertrieben hatte. Zehn Könige waren auf Wuffa gefolgt, der von Wotan selbst abstammte, von Casere, dem vierten Sohn des großen Gottes. Eadulf als
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konnte die acht Generationen zwischen Wotan und Wuffa aufzählen. Er konnte sogar die zehn Generationen aufzählen, die Wuffa von König Ealdwulf trennten.
Wuffas Sohn Tytila fiel in der Schlacht gegen Ceolwulf von Wessex; Redwald wurde
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oder Oberherr der sächsischen Königreiche; Eorpwald wurde von seinem Bruder ermordet, weil er zum Christentum übertrat; Ricbert der Heide fand ein ungewisses Ende; dann Sigebert, Egric, Anna und Athelhere, die in der Schlacht starben, mit dem Schwert in der Hand. Danach kam Athelwold, der beinahe acht Jahre regierte, ehe Ealdwulf an die Macht gelangte. Normalerweise hätte Eadulf stolz die Könige der Ost-Angeln aufgezählt. Aber er war weit gereist und hatte viel gesehen und fragte sich nun, ob man wirklich stolz darauf sein konnte, aus einem Kriegervolk zu stammen, das keinen anderen Handel zu bieten hatte als den Sklavenhandel.
Er erschauerte und zog seinen Mantel fester um sich. Er war wohl zu lange in den fünf Königreichen von Éireann gewesen, daß er jetzt die Werte seines eigenen Volkes anzweifelte? Es war noch nicht so lange her, da wäre er als junger Mann stolz darauf gewesen, sein Schwert zu ergreifen, sich in die Schlacht zu stürzen und Wotan, Thunor oder Frig dabei anzurufen! Aber es gab keinen Weg zurück. Er war weiter gegangen, und es war nicht nur die im Ausland verbrachte Zeit, die ihn an diesen Werten zweifeln ließ, sondern der neue Glaube selbst. Der stellte alle die alten Werte und alle die alten Bräuche in Frage.
»Du bist so
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