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Verneig dich vor dem Tod

Verneig dich vor dem Tod

Titel: Verneig dich vor dem Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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verteidigte er sich.
    »Von einer sächsischen Kriegerschar, die von Osten anmarschierte, hast du nichts gesehen oder gehört?«
    Der Mann sah erschrocken aus. »Eine Kriegerschar? Da war keine Kriegerschar.«
    »Kein Überfall?«
    »Wer hat denn davon was erzählt?«
    Garb schaute Fidelma an, die nickte und den Mann entließ.
    Eadulf war verwirrt. »Das verstehe ich nicht.«
    »Es gibt zwei Möglichkeiten«, meinte Fidelma und spitzte nachdenklich die Lippen. »Einerseits könnte es eine List gewesen sein, um uns absichtlich durch die unterirdischen Gänge zu den wartenden bewaffneten Mönchen zu locken, die mit uns ein Ende machen sollten. Ich wüßte aber nicht, warum, denn Abt Cild wollte uns ja sowieso töten lassen.«
    Eadulf stieß einen lautlosen Pfiff aus.
    »Aber wir kamen nicht aus diesem Gang … Aha!«
    Ihm fiel plötzlich ein, daß er sich bei den Anweisungen Bruder Higbalds geirrt hatte. Vielleicht war es ihr Glück gewesen, daß sie einen anderen Weg genommen hatten, dersie sicher aus der Abtei heraus und von dem Hinterhalt fort geführt hatte.
    Der alte Fürst Gadra saß immer noch unbewegt da.
    »Du sagtest, es gebe noch eine andere Möglichkeit, Fidelma von Cashel. Welche ist das?«
    Sie sah ihn mit ernster Miene an.
    »Die zweite Möglichkeit ist, daß es auch eine List war, mit der man uns in die Gänge locken wollte, aber in der Absicht, daß wir genau das tun sollten, was wir getan haben: euch zu suchen und auf diese Weise Abt Cild und seine Männer hierher zu führen.«

KAPITEL 12
    Fidelmas Befürchtungen wegen der zweiten Möglichkeit erwiesen sich als unbegründet, denn die Nacht verlief in Tunstall einigermaßen friedlich. Sie hatte geschlummert, bis sie zu der mitternächtlichen Feier der Geburt Christi geweckt wurde.
    Wie es in der Kirche, die den Regeln Colmcilles folgte, üblich war, wurde der Gottesdienst in Griechisch, der Sprache der Evangelien, gehalten. Bruder Laisre vollzog die Darbringung, wie das genannt wurde, was bei den römischen Geistlichen die Messe hieß.
    Bruder Laisre stand dem Altar gegenüber, nicht hinter ihm, während er das Abendmahl, Brot und Wein, vorbereitete. Gebete wurden gesprochen, und die Gemeinde beteiligte sich an den Psalmen und Responsorien und sang die Antwortstrophen eifrig mit. Bei der Segnung der Gemeinde erhob Bruder Laisre den ersten, dritten und vierten Finger als Symbol der heiligen Dreieinigkeit, im Gegensatz zurrömischen Art, bei der der Priester den Daumen und den ersten und zweiten Finger hob.
    Eadulf hielt es für bemerkenswert, daß Bruder Laisre als Hauptlied des Gottesdienstes eine traditionelle Bitte um Gerechtigkeit gewählt hatte.
     
    Ich will mein Gesicht baden
    In den neun Strahlen der Sonne,
    So wie Maria das heilige Kind badete
    in köstlicher gegorener Milch.
     
    Liebe erfülle mein Antlitz,
    Wohlwollen meinen Sinn, Honigtau sei auf meiner Zunge
    und mein Atem wie sänftigender Weihrauch.
     
    Schwarz mag jene Festung sein,
    Schwarz auch die darin wohnen.
    Doch ich bin wie ein weißer Schwan
    und erhebe mich über sie.
     
    Ich reise dorthin im Namen Gottes
    In Gestalt eines Hirsches, in Gestalt eines Pferdes,
    In Gestalt von Vögeln, mit der Haltung eines Königs.
    Stärker werde ich sein als das Böse, dem ich begegne.
     
    Nach Schluß der Darbringung ging Fidelma sofort wieder zu Bett. Auch Eadulf zog sich bald danach zurück, denn er hatte ebenfalls seit Tagen nicht mehr eine Nacht durchgeschlafen. Er hatte mit einer weiteren unruhigen Nacht gerechnet, doch war er so erschöpft, daß es ihm schien, er habe sich kaum niedergelegt, als ihn die fahleWintersonne weckte. Zu seiner Überraschung stellte er fest, daß Fidelma schon auf war. Sie war draußen mit Bruder Laisre.
    »Der Segen des Heilands Christus sei mit dir an diesem freudevollen Morgen und an jedem folgenden Tag, Bruder Eadulf«, begrüßte ihn der Leiter der Gemeinschaft.
    Als Eadulf ihm gedankt hatte, wandte sich Bruder Laisre wieder Fidelma zu. Er wollte ihr offensichtlich eine Frage beantworten.
    »Allerdings, Schwester, hatten wir die ganze Nacht Posten an allen Zugängen aufgestellt. Es bewegte sich nichts. Anscheinend ist euch niemand hierher gefolgt.«
    Fidelma schien erleichtert. »Es sieht also so aus, als stimmte meine zweite Vermutung nicht. Hat Bruder Higbald einen falschen Alarm wegen einer sächsischen Kriegerschar benutzt, um uns zur Flucht aus der Abtei zu zwingen? Wollte er uns in einen Hinterhalt treiben?«
    Eadulf schüttelte den Kopf. »Ich

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