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Verneig dich vor dem Tod

Verneig dich vor dem Tod

Titel: Verneig dich vor dem Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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…«
    »Sein Ruf macht einen Menschen noch nicht schuldig. Und die Tatsache, daß man weiß, er hat andere Menschen im Namen seiner Religion töten lassen, spricht ihn noch nicht schuldig am Tod von Gélgeis.«
    Fidelma sah den Zorn in ihren Gesichtern und schaltete sich rasch ein.
    »So schmerzlich es für euch auch sein mag, die ihr an Cilds Schuld glaubt, so hat mein Gefährte doch recht. Ein Glaube ist noch kein Beweis vor dem Gesetz.«
    »Cilds Ruf ist ganz schwarz. Gilt denn der alte Spruch nicht mehr, daß jede Farbe Schwarz annimmt, Schwarz aber keine Farbe annimmt?«
    »Mit anderen Worten, der Kuh mit den längsten Hörnern wirft man immer vor, daß sie stößt?« meinte Eadulf spöttisch.
    »Wirklich«, seufzte Fidelma, »ihr verfolgt einen bitteren Weg der Rache.«
    »Manchmal,
dálaigh « ,
erwiderte Garb, »liegt nur ein kleiner Unterschied zwischen Recht und Unrecht, aber ein großer Unterschied zwischen Recht und Gesetz.«
    »Wäre es nicht besser, genauer zu wissen, was mit deiner Schwester geschehen ist, bevor ihr diesen Weg beschreitet?« mahnte Fidelma. »So wie wir auch herausfinden müssen, was mit Botulf geschah?«
    »Wir wissen, wessen Hand sowohl Gélgeis als auch Botulf den Tod brachte«, erwiderte Garb fest.
    Fidelma blickte Eadulf an und schüttelte warnend den Kopf. Es war zwecklos, weiter von Beweisen zu sprechen mit Leuten, die auf Rache erpicht waren.
    »Bruder Botulf war ein freundlicher und hochherziger Mensch«, sagte Bruder Laisre. »An ihm hätten wir einen guten Verbündeten gehabt. Ich hatte schon erfahren, daß Botulf in der Abtei war, weil König Ealdwulf das zur Strafe für ihn verfügt hatte, und daß zwischen ihm und Cild kein gutes Verhältnis bestand. Ich vertraute Botulf. Ich fürchte, daß seine Verbindung mit uns zu seinem Tode geführt hat.«
    »Der Abt muß das herausgefunden und ihn umgebracht haben, so wie er andere umgebracht hat«, fügte Garb hinzu. »Das Böse geht mit ihm und ist in ihm, und dafür muß er büßen.«
    »Gut gesprochen, mein Sohn«, sagte eine unbekannte Stimme, ruhig und fest. »Aber es muß im Rahmen des Gesetzes getan werden.«
    Alle wandten sich zur Tür.
    Dort stand ein älterer Mann. Sein Gesicht ähnelte dem von Garb. Er war hochgewachsen, mit straffen Zügen trotz seines fortgeschrittenen Alters. Ein silberner Stirnreif auf seinem dichten weißen Haar bezeugte seinen hohen Rang.Seine Augen waren von tiefem Blau. Sein Mund war schmal, doch fest. Die tiefen Linien, die sein Gesicht durchzogen, zeugten von Kummer und Leid. Er war fürstlich gekleidet.
    Man konnte in ihm mühelos den Fürsten Gadra von Maigh Eo erkennen.
    Alle erhoben sich respektvoll, als er hereinkam und am Tisch Platz nahm.
    »Es sind Fremde unter uns, Bruder Laisre. Vielleicht bist du so gut und stellst mir deine Gäste vor?«
    Bruder Laisre neigte den Kopf.
    »Dies ist Bruder Eadulf, Abgesandter des Erzbischofs Theodor von Canterbury, und mit ihm reist Fidelma von Cashel.«
    Die Miene des alten Fürsten verriet, daß er diesen Namen kannte.
    »Fidelma, die Schwester des Königs Colgú von Cashel? Dein Ruf als
dálaigh
und Rechtsprecherin geht dir voraus, Fidelma. Mein Herz freut sich, dich hier zu sehen, denn du kannst mich in Fragen des Rechts leiten. Ich bin im Begriff, einen Weg einzuschlagen, der zu ernsten Folgen führen kann.«
    »Vater« – Garb räusperte sich unsicher –, »Schwester Fidelma ist bereits mit dem vertraut, was du unternehmen willst.«
    Der Alte neigte den Kopf.
    »Das ist gut. Ich möchte nicht in einem fremden Land sterben, ohne daß mein Name überliefert und mein Schicksal bekannt wird, doch ich fürchte, so wird es kommen. Ja, das fürchte ich.«
    Eadulf schüttelte langsam den Kopf. Er hatte gedacht,daß er dieses Volk im wesentlichen kannte und verstand. Aber in solchen Augenblicken wurde ihm klar, daß es einer ganz anderen Kultur angehörte. Der Begriff des
troscud,
des rituellen Fastens bis zum Tode, um sein Recht zu erlangen, war ihm fremd. Wenn in seiner Kultur ein Mann sein Recht erlangen wollte, dann verletzte er nicht sich selbst, sondern er nahm sein Schwert und zwang seinen Gegner, ihm zu geben, was er verlangte. Sich rituell zu Tode zu fasten, nur um seinen Feind zu beschämen, war eine abwegige Vorstellung. Das würde er nie begreifen.
    »Bist du wirklich zu diesem Weg entschlossen, Gadra?« fragte Fidelma leise. »Gibt es keine anderen Möglichkeiten, zur Wahrheit zu gelangen, als das
troscud

    Gadra lächelte heiter.

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