Verneig dich vor dem Tod
sagte, ich könne nicht in die Abtei zurückkehren, um die Wahrheit zu finden, die dort verborgen liegt.«
»Das ist einfachste Logik«, stimmte ihr Eadulf zu.
»So einfach, daß jeder darauf kommt. Deshalb kehre ich zurück in die Abtei. Schließlich kennen wir einen geheimen Zugang durch diese merkwürdigen Gänge.«
Eadulf starrte sie entsetzt an.
»In die Abtei zurückkehren?« stotterte er. »Das kann doch nicht dein Ernst sein.«
»Im Gegenteil, es ist mein voller Ernst. Ich mag es nicht, wenn man mein Leben bedroht, und ich gehe nicht gern fort und lasse unaufgeklärte Verbrechen und Geheimnisse zurück. Ich bin entschlossen, dieses zu enthüllen.«
»Aber wie …?« Eadulf hob die Arme mit einer Geste der Hoffnungslosigkeit.
»Wenn eine andere Frau die Gänge und Zimmer der Abtei unerkannt durchschreiten kann, dann kann ich das auch.«
»Aber …«, wollte Eadulf protestieren.
Fidelma sah ihn verächtlich an. »Komm, Eadulf, du glaubst doch wohl nicht an Erscheinungen und Phantome?«
Eadulf errötete, denn im tiefsten Innern mußte er zugeben, daß er daran glaubte.
»Ich sage, wenn du zurückgehst, setzt du dich unnötigen Gefahren aus«, beharrte er.
»Aber wenn ich nichts tue, lasse ich die Dinge ihren unvermeidlichen und tragischen Lauf nehmen. Du mußt ja nicht mit mir zurückgehen«, setzte sie mutwillig hinzu, denn sie wußte sehr gut, daß diese Worte ihn anstacheln würden.
Eadulf schluckte den Köder sofort.
»Wenn du gehst, komme ich natürlich mit.«
»Dann ist es beschlossen.« Fidelma lächelte honigsüß. »Aber vorher haben wir noch einiges andere zu erledigen.«
Eadulf wurde nervös. »Anderes? Was denn?«
»Meinst du, daß Bruder Laisre und seine Gemeinschaft uns mit Pferden versorgen können?«
Eadulfs Nervosität wuchs.
»Wozu brauchen wir denn Pferde?« fragte er. »Wenn du zur Abtei zurück willst, gehen wir lieber zu Fuß, damit uns keiner bemerkt.«
»Bevor wir das tun, haben wir noch ein oder zwei Reisen zu machen. Es wäre besser, wenn wir sie verhältnismäßig bequem absolvieren könnten und schneller, als es bei diesem unwirtlichen Wetter zu Fuß möglich wäre.«
»Reisen wohin?«
»Ich möchte Cilds Bruder Aldhere kennenlernen. Du hast mir zwar einen ausgezeichneten Bericht über ihn gegeben, aber ich möchte ihn gern persönlich einschätzen, bevor ich zu Folgerungen gelange.«
Eadulf seufzte tief und resigniert.
»Das setzt voraus, daß ich den Weg zurück zu seinem Versteck finde und daß er es nicht inzwischen gewechselt hat.«
»Ich bin sicher, du kannst das, Eadulf. Du hast gesagt, du kennst die Gegend hier wie deine Handfläche.«
In dem Moment trat Garb ein und begrüßte sie knurrig. Er ließ sich auf eine Bank fallen, langte nach einem Krug Met, der noch auf dem Tisch stand, und leerte einen Becher mit einem Zug.
»Was Neues?« erkundigte sich Fidelma.
»Es gibt kein Anzeichen dafür, daß euch jemand von der Abtei gefolgt ist, wenn es das ist, was du meinst«, brummte Garb.
»Ich war mir ziemlich sicher, daß wir es schon eher gemerkt hätten, wenn uns jemand gefolgt wäre«, meinte Fidelma und blieb freundlich. »Ich fragte mehr danach, ob du irgend etwas von Überfällen an der Küste gehört hättest?«
Garb schüttelte den Kopf. »Die Gegend ist ziemlich ruhig. Ich denke, du kannst davon ausgehen, daß die einzigen Gefahren, die uns drohen, ihren Ursprung in der Abtei haben.«
»Da hast du zweifellos recht«, erwiderte sie. »Sag mal, Garb, kann man hier zwei Pferde bekommen? Bruder Eadulf und ich haben ein paar kurze Reisen zu machen, und das ginge leichter und schneller zu Pferde als zu Fuß.«
Garb sah sie prüfend an.
»Wenn du die kleinen wilden Ponys reiten kannst, die man in diesem Land züchtet, von denen haben wir ein paar übrig. Wir konnten unsere Pferde nicht mitbringen, deshalb haben wir mehrere einheimische Ponys gekauft, die haben kurze Beine, eine breite Brust und sind nicht hoch.«
»Wenn sie einem Pferd ähnlich sind, kann ich sie reiten«, erklärte Fidelma zuversichtlich.
Garb schien belustigt. »Es sind keine Renner, aber robuste kleine Tiere, gerade richtig für dieses Wetter, mit einem dichten, festen Fell, das sie schützt. Von denen kann ich euch gern zwei leihen.«
»Das ist ausgezeichnet.« Sie zögerte etwas und fragte dann: »Wie geht es deinem Vater heute?«
Garb schaute sie einen Moment forschend an.
»Wenn du meinst, ob er weiterhin entschlossen ist, das Ritual durchzuführen: Ja, das ist
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