Verneig dich vor dem Tod
recht erinnere, liegt dort ein Bauernhof. Wollen wir den umgehen? Willst du ihn vermeiden?«
»Könnten wir dort etwas Heißes zu trinken bekommen, ohne daß wir in Schwierigkeiten geraten?« fragte sie.
Sie hatte Durst, und die Kälte des Wintermorgens drang durch die Kleidung. Sie wollte nicht wieder krank werden. Kaltes Wasser würde da nicht genügen.
»Ich bin sicher, der Bauer wird uns gastfreundlich aufnehmen«, erwiderte Eadulf.
»Dann reiten wir hin.«
Eadulf ritt weiter voran durch den Wald in die Richtung des rauschenden Wassers. Nach kurzer Zeit erreichten sie das Ufer eines mittelgroßen Baches, der schäumend über Steine und Kiesel strömte, und erblickten dahinter Streifen welligen, bebauten Ackerlandes. Von der Anhöhe, auf der sie hielten, konnte man in der Ferne sogar die See erspähen.
In einem Einschnitt in den Hügeln nicht weit von ihnen stieg leichter Rauch auf, und bald kamen auch Dächer von Gebäuden in Sicht.
»Das ist der Bauernhof«, rief ihr Eadulf zu.
Plötzlich drang Geschrei zu ihnen herüber, und sie sahen Leute durcheinander laufen.
»Was ist denn das?« wollte Fidelma wissen.
Eadulf verzog das Gesicht.
»Sie haben uns gesehen, das ist alles«, erwiderte er. »Wir sind in der Nähe der Küste, und wenn es hier tatsächlich ab und zu Überfälle von den Ost-Sachsen gibt, dann haben die Leute schon recht, wenn sie anrückenden Fremden mißtrauen.«
Ein untersetzter Mann kam ihnen auf dem Weg entgegen.
»Haltet an, Fremde, und sagt, wer ihr seid!« rief er mit rauher Stimme und blieb breitbeinig stehen, die Hände an den Hüften und in einer Hand einen langstieligen Hammer.
»Friede, mein Freund«, rief Eadulf und zügelte sein Pony. »Ich bin Bruder Eadulf von Seaxmund’s Ham und reise mit meiner Gefährtin. Wir bringen euch den Segen Christi an diesem heiligen Tag.«
Fidelma fiel auf, daß Eadulf sie nicht vorstellte. Es war wohl besser, nicht zu verraten, daß sie Ausländerin war.
Der Mann schien etwas freundlicher zu werden.
»Von Seaxmund’s Ham, sagst du?«
»Ja.«
»Wo wollt ihr jetzt hin?«
»Wir bitten nur um einen heißen Trunk an diesem Wintertag, dann wollen wir weiter nach Norden.«
Der stämmige Mann blickte von Eadulf zu Fidelma und zurück.
»Dann erwidern wir euren Segen am Festtag unseres Heilands. Verzeih unsere Vorsicht, Bruder Eadulf, doch wie du weißt, leben wir in unsicheren Zeiten.«
»Du meinst die Überfälle von Sigehere?«
»Ja, die meine ich. Es gibt ständig Gerüchte, daß seine Kriegertrupps an der Küste landen. Aber kommt herein. Genießt unsere Gastfreundschaft und seid willkommen.«
Der Mann wandte sich um und winkte den Leuten zu, die sich in einiger Entfernung gesammelt hatten, und auf dieses Signal hin zerstreuten sie sich. Er führte sie zu dem Bauernhaus.
»Frau«, rief er der großen, schlichten Bäuerin zu, die in der Tür stand, »ein Mönch und eine Nonne auf dem Rückwegnach Seaxmund’s Ham. Ein Becher heißer Met erfrischt sie und hilft ihnen weiter.«
»Das tut er sicher«, meinte Eadulf und stieg ab. »Meine Gefährtin hat die Stimme verloren, und der Met wird ihrer Kehle wohltun.«
Fidelma begriff, daß er das gesagt hatte, damit sie sich nicht mit ihrem Akzent als Ausländerin verriet und Verdacht erweckte. Sie lächelte nur und nickte der Bauersfrau zu, die besorgt wie eine Henne herbeieilte und ihr beim Absteigen half.
»Ach, die arme Frau. Wir werden gleich sehen, was wir tun können. Eine schlimme Kehle? Armes Kind. Tretet ins Haus, und ich mache euch gleich einen Becher Met heiß. Es bringt Glück, wenn gerade an diesem Feiertag ein Mönch und eine Nonne in unser Haus kommen.«
Fidelma brummte und nickte und folgte der Frau gehorsam in die Küche.
Der Bauer führte Eadulf hinein.
»Seid ihr jetzt direkt auf dem Wege nach Seaxmund’s Ham, Bruder?« erkundigte er sich.
Eadulf nickte.
»Warum fragst du?« sagte er und sah zu, wie die Bauersfrau Met in zwei Becher goß, einen rotglühenden Schürhaken vom Feuer nahm und ihn erst in den einen, dann in den anderen Becher hielt, bis der Met zischte und aufwallte.
»Hast du den Himmel im Westen gesehen, Bruder?«
Eadulf hätte zugeben können, daß er auf dem Ritt durch den Wald in jeder Richtung nur sehr wenig vom Himmel gesehen hatte, begnügte sich aber mit einer einfachen Verneinung.
»Dort ballen sich schwere graue Wolken zusammen. Ichfürchte, wir kriegen in den nächsten paar Stunden eine neue dicke Schneedecke, jedenfalls noch vor der
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