Verneig dich vor dem Tod
Nacht.«
»Bis dahin sollten wir es bis über den Fluß Alde schaffen.«
»Ja, wenn ihr euch nicht zu lange aufhaltet.«
Eadulf hob den Becher und nahm einen langen Zug.
»Sobald wir diesen köstlichen Nektar genossen und dies Haus gesegnet haben, werden wir uns auf den Weg machen.«
Der Bauer schmunzelte anerkennend.
»Gott gebe euch einen guten Weg, Bruder. Möge Er euch vor den Geächteten schützen, die im Moorland leben, und vor Sigeheres Kriegern.«
»Dazu sage ich amen«, antwortete Eadulf inbrünstig.
KAPITEL 13
Seit mehr als einer Stunde schneite es schon, und es war sehr frostig und feucht. Trotz ihrer beiden Mäntel spürte Fidelma die Kälte, und Brust und Hals taten ihr wieder weh. Der Schnee fegte in harten Eiskörnchen schräg herab, dicht und schwer, so daß sie Eadulf und sein Pony kaum erkennen konnte, obwohl sie nur wenige Meter vor ihr waren.
Vor einer halben Stunde hatten sie einen Fluß überquert, den Alde, wie Eadulf ihr erklärt hatte. Flußaufwärts lag Aldreds Abtei, bei der eine Brücke über den Fluß führte, doch hier gab es nur eine Furt, die zwar tief war, durch die sie aber im Sattel das Nordufer erreichen konnten, ohne mehr als die Füße naß zu machen.
Fidelma hustete keuchend und erschauerte.
»Eadulf?« rief sie unsicher in die Schneewolke hinaus, die sie trennte.
Plötzlich tauchte seine Gestalt aus dem Schnee auf, denn er hatte sein Pony angehalten und wartete, bis sie heran war.
»Wie geht es dir?« fragte er besorgt.
»Ich glaube, ich brauche eine Ruhepause. Gibt es irgendwo einen geschützten Platz an diesem Weg?«
Eadulf schüttelte den Kopf.
»Es dauert noch eine Weile, bis wir Aldheres Lager erreichen«, sagte er. »Ich weiß nicht, ob ich es finde, solange dieser Schneefall noch anhält. Wir suchen uns einen Schutz, wo wir warten können, bis er aufhört.«
Sie hustete erneut, und die Sorgenfalten auf Eadulfs Stirn vertieften sich. Er mußte vor sich, wenn auch nicht vor Fidelma, zugeben, daß er keine Ahnung hatte, wo sie sich ausruhen konnten.
»Mach dir keine Sorgen. Ich finde schon einen Platz«, versicherte er ihr. Er trieb sein Pony an, und willig folgte sie. Ihre Krankheit entkräftete sie, das wußte sie. Wahrscheinlich war es töricht von ihr gewesen, auf dem Aufbruch von Tunstall zu bestehen, bevor sie ganz genesen war. Aber sie wußte auch, daß das Leben anderer davon abhing. Sie konnte sich nicht ändern. Ungelöste Geheimnisse wirkten auf sie wie ein schrecklicher Zaubertrank. Sie konnte sich nicht davon befreien, solange es noch Fragen gab, die Antworten verlangten.
Eadulf stieß plötzlich einen Ruf aus.
»Was ist?« fragte sie erschrocken.
»Alles in Ordnung«, antwortete er, und seiner Stimme merkte sie die Erleichterung an. »Ich weiß jetzt genau, wo wir sind.«
»Ich dachte, das wußtest du schon vorher?« meinte sie mit kaum verhohlenem Spott.
»Ich glaube, ja. Wir sind bei Frig’s Tun.«
»Was ist das?«
»Erinnerst du dich noch an unseren verrückten Bauern? Der uns am ersten Abend zur Abtei brachte? Das hier ist sein Hof.«
»Wegen dieser Fahrt bin ich …«, setzte sie an, wandte sich dann schnaufend ab und murmelte etwas, was Eadulf nicht hörte. Er gab vor, ihren Ärger nicht zu bemerken.
»Er hieß Mul«, fuhr er fort. »Sein Hof ist nicht weit von hier. Dort finden wir Wärme, Essen und Unterkunft. Es hat keinen Zweck, in diesem Schneesturm noch weiter zu suchen.«
Fidelma schwieg. Eadulf hatte natürlich völlig recht. Wenn sie versuchten, in diesem Wetter noch weiter zu kommen, könnte das zu einer neuerlichen Erkrankung, vielleicht sogar zu einer tödlichen führen. Es bedeutete allerdings auch, daß ein weiterer Tag verging. Dann blieben nur noch wenige Tage bis zum Beginn von Gadras
troscud
. Sie wußte, daß es leichter war, etwas zu verhindern, als es anzuhalten, wenn es in Gang gekommen war.
»Bleib dicht hinter mir!« rief Eadulf, drehte sich noch einmal um und verschwand beinahe in dem in dichten Massen fallenden Schnee.
Fidelma kniff die Augen vor dem eisigen Graupel zusammen und bemühte sich, mit Eadulf Schritt zu halten. Sie nahm die Umgebung nicht mehr wahr, die völlig in weiße Dämmerung gehüllt war. Kurze Zeit später merkte sie, daß Eadulf gehalten hatte und vom Pferd geglitten war. Er stand da und schaute zu ihr empor.
»Wir sind da«, sagte er.
Sie blickte auf und versuchte etwas durch das eiskalte Schneetreiben zu erkennen.
Die verschwommenen Umrisse eines Gebäudes tauchten vor
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