Verräter der Magie
kurzen Moment lauschte sie Kingsleys verlockenden Worten, ihn doch einfach walten zu lassen. Ares würde gar nicht wissen, wie ihm geschah, und die drei Sidhe hatten sowieso keine Chance gegen Kingsleys Magie.
Ja, lass mich raus! , rief Kingsley, noch immer nach dem Blut des Wolfes dürstend. Wir können es schaffen! Ich weiß, dass wir es können!
Dann war der Moment vorüber, ihre Entscheidung gefallen. Kira trat einen Schritt nach vorne und stand nun im Inneren des Gebäudes. Wieder war sie umgeben von dicken Eisenmauern. Sie hoffte inständig, das Richtige getan und nicht zum letzten Mal den Wind auf ihrer Haut gespürt zu haben.
Kingsleys enttäuschter Aufschrei sollte sie noch eine ganze Weile begleiten.
Das Innere des Metallkomplexes hielt viele Überraschungen für Kira bereit. Wenn Conan sie nicht gnadenlos weitergetrieben hätte, wäre sie wahrscheinlich immer wieder mit offener Kinnlade stehen geblieben und hätte den gewaltigen Eichenbaum angestarrt, auf den sie zusteuerten. Er war riesig. Mit einem Stamm so breit wie ein kleines Haus und Ästen, die bis zur Decke emporreichten und sich dann an den Seiten des Gebäudes nach unten wanden.
Die Eisenwände hatten seine Wirkung nach außen hin abgeblockt, doch nun konnte Kira seine Kraft in den Fingerspitzen spüren. Sie kribbelten förmlich. Der für die Sidhe heilige Baum summte vor Magie. Zum ersten Mal begriff Kira, wie genial dieses Versteck wirklich war: Wer draußen stand, konnte all die Magie hier drin nicht wahrnehmen. Und so konnten die Magier sie auch nicht rauben.
Pooka reagierte auf die magischen Schwingungen wie ein Fisch, den jemand geangelt und danach wieder ins Wasser geworfen hatte. Freudig sauste er nur so dahin, zog übermütig Kreise um Kira und ihre Bewacher.
Der Deamhan selbst bestand aus mehr Magie, als gewöhnliche Sidhe jemals begreifen konnten. Aufgeregt und ganz und gar in seinem Element flog, rannte oder sprang er durch die Gegend, je nachdem, welche Form er gerade annahm. Und die wechselte im Sekundentakt, schneller, als Kira es je zuvor erlebt hatte. Schlussendlich entschied er sich für einen türkis schimmernden Kolibri, der fröhlich summend um ihren Kopf herumschwirrte.
Für einen Moment vergaß Kira den Ernst ihrer Lage und lachte vor Glückseligkeit. Als sie jedoch merkte, dass Ares sie interessiert beobachtete, besann sie sich schnell wieder.
»Wie kommt eine einfache Sidhe eigentlich an einen Deamhan?«, fragte Ares mit einem faszinierten Blick auf Pooka.
»Ich weiß nicht«, wich sie so tonlos wie möglich aus. »Er war schon bei mir, als ich klein war.«
Um nicht weiter darüber sprechen zu müssen, eilte sie ein Stück voraus. Sie konnte fühlen, wie sich Ares’ Blick in ihren Rücken bohrte. Sie versuchte, das unangenehme Prickeln, das er damit auslöste, zu ignorieren und sich stattdessen auf das Wunder vor ihr zu konzentrieren.
Das dichte Wurzelwerk des Riesen schlängelte sich durch den ganzen Raum. Als sie dem Baum näher kam, konnte sie erkennen, dass sich unter den Wurzeln eine Art Eingang befand. Ob es dort wohl zum Lager der Rebellen hinunterging?
Rona und Flynn hielten direkt darauf zu und kletterten dann mit der Gewandtheit und Eleganz von Katzen an den Wurzeln hinab in die Tiefe.
Diesmal zögerte Kira nicht, sondern sprang ihnen in blinder Euphorie hinterher. Ihre Glieder bewegten sich wie im Tanz zu dem berauschenden Summen der Magie, ein Lied aus Lachen, Tränen und Sommerwind.
Obwohl Kira weder eine Lampe noch eine Laterne ausmachen konnte, erhellte ein warmes Licht die unterirdischen Tunnel und leuchtete ihnen den Weg.
Ares hatte Recht behalten. Die Magie der alten Eiche hob die Wirkung des Eisens auf. Der kalte Stahl über ihnen störte Kira nicht einmal mehr.
Nur um sich zu beweisen, dass sie es noch konnte, ließ sie golden funkelnden Feenstaub um ihre Fingerspitzen fliegen, ließ ihn die Form von kleinen Feen annehmen und wie Schmetterlinge durch den Tunnel tanzen.
Flynn drehte sich zu ihr um und schmunzelte kaum merklich. Kira lächelte zurück und ließ ihre Elfen munter um ihn herumwirbeln.
Pooka zirpte anerkennend an ihrem Ohr, dann flog er den kleinen Lichtgestalten hinterher und versuchte, sie in einem heiteren Spiel zu erwischen.
Erst ein mahnendes Knurren hinter Kira brachte sie wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Sie war hier nicht zum Spaß. Die Sidhe und der Werwolf hatten sie aus einem einzigen Grund hergebracht: um über ihr Leben zu richten.
Gut zu
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