Verräter der Magie
wissen, dass du das Ganze doch ernst nimmst , grollte Kingsley in ihrem Inneren.
Alles in Ordnung? , fragte sie automatisch. Ihr fiel auf, dass sie sich gegen ihren Willen Sorgen um ihn machte.
Klar, wenn man davon absieht, dass du uns gerade in das Nest meiner Mörder bringst. Sie werden uns den Garaus machen und trotzdem verhältst du dich so unbekümmert wie Rotkäppchen im Zauberwald!
Kira konnte die Verbitterung und seine Wut in ihrer Brust auflodern spüren – so stark strömten seine Gefühle auf sie ein.
Statt ihn in seine Schranken zu weisen, empfand sie diesmal nur das starke, befremdliche Bedürfnis, ihn zu trösten. Mach dir keine Sorgen, Kingsley, sie können mich nicht töten.
Kiras Bemühungen verfehlten jedoch ihre Wirkung. Keine Sorgen! , brüllte Kingsley aufgebracht. Sie hätte sich die Ohren zugehalten, wenn es etwas gebracht hätte. Ich glaube, du hast eine etwas zu hohe Meinung von deinen Artgenossen. Den Werwolf magst du vorübergehend überlistet haben, aber denke bloß nicht, dass die Sidhe Gnade walten lassen, bloß weil du eine von ihnen bist. Sie werden wie Höllenhunde über uns herfallen und uns in der Luft zerfetzen!
»Sei doch nicht so dramatisch.« Kira verdrehte die Augen. »Hier wird niemand zerfetzt. Ich habe noch ein paar Tricks im Ärmel. Vertrau mir.«
»Ach ja?«, zischte Ares so dicht hinter ihr, dass sie seinen heißen Atem im Nacken spüren konnte. »Die Tricks, die dich vor Sina retten sollen, würde ich gerne einmal sehen.«
Kira machte einen Satz nach vorne. Hatte sie das gerade etwa laut ausgesprochen? Verdammt, sie musste unbedingt an ihrer Gedankenkommunikation arbeiten.
Als Ares neben sie trat, blitzte sein grünes Auge gefährlich auf. Er wusste genau, mit wem sie gesprochen hatte. Durch ihre Unachtsamkeit war sie für ihn nicht länger ein Opfer des Magiers, sondern eine Komplizin.
»Wer ist diese Sina?«, fragte Kira, um von Kingsley abzulenken.
»Unsere Anführerin«, sagte Ares knapp.
»Ist sie eine Sidhe?« Kiras Neugier war geweckt.
Ares warf ihr einen strengen Blick zu. Für seinen Geschmack stellte sie wohl viel zu viele Fragen.
»Ja. Sie ist die Einzige, die von der Königsfamilie Túatha Dé Danann* noch übrig geblieben ist.«
»Aber was ist mit Oberon?«, fragte Kira mit heiserer Stimme. Schockiert sah sie Ares an und stolperte dabei über einen Stein am Boden. Ares stützte sie mit einer Hand am Rücken. Hastig lief Kira nach vorne, um der Berührung des Werwolfs zu entkommen.
»Oberon ist nach Amerika gegangen, um dort Rebellen um sich zu scharen. Was aus Titania geworden ist, wissen wir nicht. Wahrscheinlich ist auch sie irgendwelchen Magiern in die Hände gefallen. Sina ist Titanias Nichte, eine Tochter ihrer Schwester Mabh, die momentan die Dinge in Russland beaufsichtigt.«
Bei der Erwähnung von Titanias Namen bildete sich ein eisiger Klumpen in Kiras Brust. Sie wussten nicht einmal, was mit Titania geschehen war. Natürlich hätte sie es ihnen erzählen können, aber nun war auch ihr die Lust auf diese Unterhaltung vergangen.
Sie konnte Kingsleys neugieriges Tasten nach ihren Gedanken fühlen und schob ihn gewaltsam in die hinterste Ecke ihres Bewusstseins zurück. Sie war selbst verwundert, woher sie plötzlich die Kraft dafür nahm. Eine Weile konnte sie nicht einmal hören, was er ihr zuflüstern wollte.
Eine angenehme Stille breitete sich in ihrem Geist aus.
Na also, es ging doch!
Der große unterirdische Saal, in den sie geführt wurde, war voller Wunder. An den Wänden und an der Decke wanden sich die Wurzeln der alten Eiche und bewahrten den riesigen Raum vor dem Zusammensturz. Dabei verweilten sie jedoch nicht an einem Ort, sondern bewegten sich unablässig. Wie Tausende von Schlangen. Am Boden wanden sich ein paar der Wurzeln ineinander, um einen großen Thron für die Herrscherin des kleinen Reichs zu bilden.
Bei Sinas Anblick musste Kira schlucken. Da saß sie, die Sidhe, die über ihr Leben entscheiden sollte. Goldene Locken fielen bis zum Boden um ein Gesicht, das so schön und doch so starr war, dass es Kira an Statuen der griechischen Antike erinnerte. Dicht bewimperte violette Augen fixierten Kira, während sie vor den Thron geführt wurde.
Vertreter sämtlicher paranormaler Spezies flankierten ihren Weg. Eine bunte Mischung, wie man sie niemals außerhalb eines Reservats vermuten würde. Da waren die hochgewachsenen, überirdisch schönen Sidhe, aber auch hässlichere, weniger magiebegabte Vertreter
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