Verräterherz (German Edition)
doppelten Boden herausgerissen und die Schatulle an mich genommen. Den kleinen Schlüssel hielt ich immer noch in der Hand und ich spürte, wie sich seine Form in meine Handfläche presste, als ich mir selbst schwor, diesen Schatz, der mich retten könnte, nicht wieder aus der Hand zu geben. Ich musste jemanden finden, der dafür sorgen würde, dass ich einen fairen Prozess bekam. Man würde mich bestrafen, zweifellos, aber ich hatte nun berechtigte Hoffnung, dass man mir meine Existenz für den Mord an Morlet nicht nehmen würde. Immerhin hatte ich es geschafft, ihn zu entlarven und ich würde beweisen, dass er der Vampirgesellschaft enorm geschadet hatte, statt ihr zu dienen, wie es eigentlich seine Aufgabe gewesen wäre. Es galt nun, das Buch nicht mehr aus der Hand zu geben, das mir die Rettung versprach. Ich schob es unter mein Hemd und steckte dieses rasch wieder in die Hose, dann schloss ich die Knöpfe des Jacketts. Das sollte zumindest einen direkten Zugriff verhindern. Und mich körperlich gegen die ältere Vampirin zu wehren, sollte wohl kein Problem darstellen.
Ich war so mit dem Gedanken beschäftigt, wie ich das Buch vor einem Zugriff durch Madam Morlet schützen könnte, dass ich erst zeitverzögert begriff, was sie tat. Es war mehr der Geruch, der mich endlich verstehen ließ - doch da war es bereits zu spät.
Sie leerte einen Kanister Benzin auf den Boden des Büros, rasch breitete die Lache sich in alle Richtungen aus. Dann sah sie mich an und sagte: „Mein Mann hat den Laden mit einer hohen Summe gegen Feuer versichert. Also gibt es eine sehr praktikable Lösung für gleich zwei meiner Probleme. Sie werden nicht den Ruf meines Mannes ruinieren, Sie kleiner dreckiger Bastard, Ihre Geschichte endet hier!“
Ich war beinahe bei ihr, als sie ein Streichholz anriss, das sie längst aus einer kleinen Schachtel hervorgezogen hatte. Von einer Sekunde zur anderen entstand eine Mauer aus Flammen und sengender Hitze, die mich zurückschlug. Durch die züngelnde Wand hindurch sah ich, wie Madam Morlet etwas aus ihrer Tasche zog. Ein Holzpflock, schoss es mir durch den Kopf. Doch das ergab keinen Sinn, denn um ihn mir in den Körper zu rammen, hätte sie selbst die Flammen durchschreiten müssen, die uns nun voneinander trennten. Stattdessen verschwand sie durch die noch geöffnete Tür. Das war der Moment, in dem ich endlich begriff! Es war kein Holzpflock gewesen, sondern ein einfacher Türkeil. Ich riss die Arme hoch, um mein Gesicht zu schützen und rannte durch die sich ausbreitenden Flammen. Ich spürte wie sie von meiner Kleidung Besitz ergriffen und meine Haare versengten, doch es wäre mir später möglich, den Körper einfach mit einem neuen Opfer zu tauschen. Es kam nur darauf an, dass ich nicht gänzlich von dem Feuer verschlungen wurde Meine Gesichtshaut spannte sich unter der enormen Hitze und meine Hosenbeine standen bereits in Flammen. Ich hatte keine Zeit, danach zu schlagen und es hätte auch keinen Sinn gemacht, denn ich befand mich ohnehin inzwischen inmitten der sich rasch ausbreitenden Feuersbrunst. Ich musste die Flammen rasch durchschreiten, um nicht in der Falle zu sitzen. Also machte ich zwei Schritte nach vorn und streckte die Hände nach der Tür aus, im gleichen Moment fiel sie ins Schloss. Meine Augen tränten so sehr, dass ich alles nur verschwommen sah und wilder Schmerz durchzuckte mich, als ich die Türklinke anfasste und die lodernden Flammen vom Stoff meines Anzugs bis in mein Gesicht schlugen. Im gleichen Moment hörte ich das Lachen von Madam Morlet und sah, wie der spitze Teil des Keils unter dem Türschlitz auftauchte. Wild warf ich mich gegen das Türblatt, um es zum Bersten zu bringen. Und während ich mich, trotz des rasenden Schmerzes, der immer mehr von mir Besitz ergriff, gegen das Holz warf, hörte ich durch das Tosen der Flammen hindurch das Geräusch eines Möbelstücks, das bewegt wurde. Im Geiste sah ich, wie Madam Morlet eines der hohen Regale vor die Tür schob, um sich soviel Zeit wie möglich zu verschaffen, bis die Flammen mir den Garaus gemacht hätten. Ich ahnte, dass sie zu guter Letzt die Tür selbst wieder öffnen würde, damit das Feuer auch den Laden verschlingen könnte. Doch wenn diese Tür wieder geöffnet wäre, würde es keinen Lucien Chevrier mehr geben! Hilflos presste ich das Buch mit der Wahrheit vor meine Brust, als wäre es ein Schild, das mich schützen könnte. Aber hat die Wahrheit jemals jemanden schützen können, wenn das
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