Verräterische Gefühle
wacht um diese Zeit erst langsam auf“, erklärte er lachend. „Und wir haben noch einen wichtigen Termin vor uns … die Sambaschule.“
„Schule? Es ist fast Mitternacht.“
„Es ist keine Schule, wie du sie kennst, sondern ein Ort in der Nachbarschaft, wo man sich zum Tanzen trifft. Und ein wichtiger Teil der brasilianischen Kultur. In Rio bereiten sich alle auf den Karneval vor, der in ein paar Wochen stattfindet. Hier …“, er reichte ihr ein kleines Päckchen, „ich habe dir etwas zum Anziehen besorgt.“
Unter vielen Lagen dünnem Seidenpapier fand sie ein Kleid aus türkisblauer Seide – hauteng bis zur Hüfte, endete es in einem Flatterrock, der weit oberhalb des Knies endete. „Ach, du gehst in Jeans, und ich soll nahezu nackt tanzen?“
„Da ist noch etwas in der Schachtel.“
Und tatsächlich, unter weiteren bunten Lagen fand Katie noch ein smaragdgrünes Bikinioberteil. „Wow! Das ist …“ Sie verstummte und blinzelte nur entsetzt.
„Das perfekte Outfit, um Samba zu tanzen.“
Seit sie in Südamerika gelandet war, trug Katie kein Braun mehr, und das verdankte sie allein Nathaniel. Er war es, der endlich Farbe in ihr Leben gebracht hatte. „Ich bin überwältigt.“ Rasch eilte sie ins Schlafzimmer, um sich umzuziehen, und protestierte, als Nathaniel ihr folgte. „Nicht zuschauen, das macht mich verlegen.“
„Muss es nicht. Du hast fantastische Beine.“ Das Funkeln in seinen Augen war nicht misszuverstehen, doch Katie lachte nur und entzog sich ihm geschickt.
„Jetzt habe ich das heißeste Outfit aller Zeiten an, dann will ich auch tanzen!“
Und das tat sie auch. Es wurde der aufregendste Abend ihres Lebens. Ob das an der aufreizenden Musik und den lasziven Samba-Rhythmen lag oder an Nathaniels begehrlichen Blicken und sexy Hüftbewegungen, konnte sie nicht sagen.
„Können wir nach Hause gehen?“, raunte sie ihm irgendwann zu, und Nathaniel ließ sich nicht zweimal bitten.
In dieser Nacht liebten sie sich mit einer Wildheit und Intensität, die genährt wurde von ihrer Erinnerung an die heißen Samba-Tänze und Katies Vorahnung von der Endlichkeit dieses unwirklichen Paradieses.
Als Katie am nächsten Morgen erwachte, stellte sie erstaunt fest, dass Nathaniel das Bett bereits verlassen hatte und offenbar gerade duschen gegen wollte.
„Guten Morgen, kleine Schlafmütze“, sagte er lächelnd und küsste sie auf die Nasenspitze. „Nein, bleib ruhig liegen, ich habe heute Vormittag noch etwas zu erledigen. Nimm später ein Bad und entspann dich.“
„Was musst du erledigen?“, fragte Katie und setzte sich im Bett auf.
„Rafael und ich sponsern hier vor Ort ein Projekt für benachteiligte Kinder und Jugendliche.“ Nathaniel zögerte kurz, dann fischte er einen flachen Ordner aus seiner Laptop-Tasche und warf ihn aufs Bett. „Die Broschüre ist voll von Rührgeschichten mit entsprechenden Bildern, um mitleidige Leute mit zu viel Geld zum Spenden zu animieren. Ich bin mit der Frau verabredet, die das Projekt leitet. Es wird aber nicht lange dauern.“ Damit verschwand er im Bad.
Während Nathaniel duschte, blätterte Katie den Ordner zunächst flüchtig durch, kehrte dann zum Anfang zurück und las Seite für Seite. Als er mit feuchtem Haar und nicht mehr als einem weißen Handtuch um die schmalen Hüften ins Schlafzimmer zurückkam, schaute sie hoch. In ihren Augen schimmerten Tränen. „Diese armen Geschöpfe …“
„Warum weinst du?“, fragte er verständnislos. „Du kennst sie doch gar nicht.“
„Ihr Schicksal geht mir einfach zu Herzen.“
Ebenso wie deins. Und die Tatsache, dass du Kindern, die Ähnliches erlebt haben wie du, eine helfende Hand reichst. Laut zu sagen traute sie sich das allerdings nicht.
„Es muss ungeheuer befriedigend sein zuzuschauen, wie sie sich unter verbesserten Bedingungen entwickeln.“
„Ehrlich gesagt habe ich noch nie eines dieser Kinder persönlich kennengelernt. Ich schreibe nur die Schecks aus.“
„Du hast das Projekt noch nie besucht?“ Fassungslos starrte Katie auf den Ordner in ihrer Hand. „Interessiert dich denn nicht, wem du da hilfst?“
„Nein.“
„Warum tust du es dann überhaupt?“
„Weil ich ausreichend Geld verdiene, um einen Teil davon abzugeben.“
Katie schüttelte den Kopf. „Die Kids wären bestimmt aus dem Häuschen, wenn du persönlich dort auftauchen würdest.“
„Und was sollte mich dazu veranlassen?“ Nathaniel schaute fragend zu Katie und wurde von ihren grünen
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