Verräterische Gefühle
Nixenaugen verhext. Dann sah er ihr siegessicheres Lächeln und stöhnte. „Das kann unmöglich dein Ernst sein!“
„Wenn ich das richtig verstehe, handelt es sich bei dem Hilfsprojekt um eine Art Theatergruppe, richtig? Die Kinder sollen lernen, sich mit Gefühlen und unvorhersehbaren Situationen auseinanderzusetzen, und auf eine spielerische Art mehr Selbstvertrauen gewinnen. Wer kümmert sich eigentlich um die Kostüme? Ich habe doch Unmengen von bunten Bändern und Borten auf diesem tollen Markt gekauft und könnte …“
„Katie, Katie, Katie!“, versuchte Nathaniel sie lachend zu bremsen. „Ich hatte vor, dieses Meeting so schnell wie möglich hinter mich zu bringen, um danach mit dir zusammen eine weitere Besichtigungstour zu unternehmen.“
„Ich würde aber viel lieber zu den Kindern gehen. Bitte, Nathaniel, ich bin sicher, sie wären begeistert, dich zu sehen.“
Mit einem unterdrückten Fluch auf den Lippen drehte er sich um. „Eine einzige Mitleidsträne, und wir verschwinden auf der Stelle wieder!“, sagte er grimmig und fing sie auf, als sie vom Bett aufsprang und sich begeistert in seine Arme stürzte.
Zwei Stunden später, nachdem etliche kleine Schmierfinken auf seinem Schoß gesessen hatten, während andere wie Kletten an seinen Armen und seinem Hals hingen, fühlte sich Nathaniel so erschöpft und ausgelaugt wie seit Jahren nicht mehr. Aber er genoss es.
Er sah zerrissene Kleider, zerfetzte Schuhe, ungewaschene, verschrammte Gesichter und konnte sich leicht ausmalen, was für Geschichten hinter den äußeren Anzeichen der Verwahrlosung steckten. Aber er nahm auch Interesse, Enthusiasmus und Aufregung wahr, die sich in den Augen der Kinder widerspiegelten.
„Wir alle sind völlig überwältigt, dass Sie es möglich gemacht haben, uns persönlich zu besuchen“, versicherte ihm die Projektleiterin Gabriela mit Tränen in den Augen.
„Keine Ursache“, murmelte er verlegen und schämte sich seines anfänglichen Sträubens. Wie gut, dass Katie so hartnäckig war. „Diese Kinder … Sie wissen am besten, was Ihre Schützlinge brauchen. Sagen Sie es mir, und ich werde versuchen, es möglich zu machen.“
„Neben dem, womit Sie uns schon so großzügig bedenken, brauchen die Kinder in erster Linie Menschen, die sie ernst nehmen, ihnen zuhören und sie auch mal in die Arme schließen, wenn sie es brauchen.“
Seltsam berührt von diesem unerwarteten Statement blickte Nathaniel zu einem Teenager, der sich die ganze Zeit in Türnähe aufhielt – wie zur Flucht bereit. „Dieser Junge dort, was ist seine Geschichte?“
„Die kenne ich leider nicht. Carlos schaut immer mal vorbei, doch sobald sich ihm jemand nähert, reißt er wieder aus.“
In der Mischung aus Ablehnung, Wut, Neugier und Angst, die dem ungefähr Vierzehnjährigen ins Gesicht geschrieben stand, erkannte Nathaniel sich selbst. Es war der harte, misstrauische Ausdruck in den wachen Augen, der ihn dazu veranlasste, aufzustehen und zu dem Jungen hinüberzugehen.
Dieser wich mit jedem Schritt, den Nathaniel auf ihn zumachte, ein Stück zurück, offensichtlich hin- und hergerissen zwischen dem Drang zu fliehen und der Faszination, einem echten Hollywoodstar gegenüberzustehen.
„Schon gut!“, knurrte er schließlich mit geballten Fäusten. „Sie brauchen mich nicht rauszuschmeißen. Ich gehe freiwillig.“
„Eigentlich hatte ich gedacht, du könntest mir helfen“, stoppte Nathaniel ihn wirksam mit anscheinend unbeteiligter Stimme. „Du wärst perfekt für die Rolle, die mir vorschwebt. Hast du schon mal geschauspielert?“
„Davon habe ich keine Ahnung.“
„Gut.“ Nathaniel tat erleichtert und sah, wie sich Fäuste und Körperhaltung des Teenagers entspannten. „Das ist besser, als wenn du davon überzeugt wärst, schon alles über den Job zu wissen. Also, was du tun musst, ist zu vergessen, wer du bist, und vorzugeben, jemand ganz anderer zu sein. Das wär’s.“
Als Nathaniel Tränen in den Augen des Jungen aufsteigen sah, konnte er nicht sagen, wer darüber alarmierter war, der Junge oder er. Fast hätte er in seiner Panik nach Gabriela oder, besser noch, nach Katie gerufen.
„Ich habe Ihre Filme gesehen.“
Nathaniel spürte einen schmerzhaften Druck in der Brust. „Oh, gut …“
„Ich … hier gibt es eine Menge Schauspieler, die ganz heiß darauf sind aufzutreten. Sie brauchen mich nicht.“
„Tja, das zeigt mir, wie wenig du von dieser Branche verstehst.“ Er versuchte, nicht auf die
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