Verrat der Finsternis
wollte.“
„Du bist gegangen und hast der Dunkelheit das Feld überlassen. Was hast du gedacht, würde mit Partholon geschehen, wenn du weiterhin schweigst? Was hast du gedacht, würde mit uns passieren?“
„Ich habe nicht an Partholon gedacht, als ich ins Exil gegangen bin. Ich wollte einfach nur ohne Tod und das Böse leben. Ich hatte nicht damit gerechnet, dir zu begegnen. Ich hatte nicht erwartet, dich zu lieben.“
Spöttischer Applaus erklang aus der Dunkelheit. Im nächsten Moment trat Nuada aus den Schatten. „Was für eine bewegende Ansprache, Bruder!“
Tegan stellte sich zwischen Nuada und Aine. „Wir sind keine Brüder mehr“, sagte er.
„In uns fließt immer noch das gleiche Blut.“ Nuada lächelte wild. Sein Blick huschte von Tegan zu Aine. „Ich sehe noch mehr Blut, das ich gern teilen würde.“
„Dazu musst du mich erst umbringen.“
„Wie du wünschst.“
Die Schatten hinter Nuada schienen sich zu bewegen. Dann sah Aine sich mindestens einem Dutzend Fomorianer gegenüber, die auf das Kommando ihres Meisters warteten.
Vor ihren Augen verwandelte sich Tegan. Er breitete die Schwingen aus. Seine Finger wurden zu Klauen. In seinen Augen blitzte die Wut. „Lauf um dein Leben! Ich werde dich finden“, rief er ihr in einer durch seine Macht verstärkten Stimme zu, bevor er sich auf Nuada stürzte.
Aine rannte, aber nur bis sie merkte, dass ihr niemand folgte. Dann kehrte sie um und schlich langsam über die Bergpfade, bis sie ein seltsames Geräusch hörte. Es passte nicht in die Nacht, und es erinnerte sie an etwas. Sie hätte es fast nicht erkannt, aber kurz bevor der Schrei ertönte, fiel ihr es ihr wieder ein: Es klang genauso wie Tegans Schwert, als es durch die Zeltwand geglitten war.
Mit dem ersten Schrei kam auch der Schmerz und zwang sie in die Knie.
Aine wusste nicht, wie lange sie bewusstlos gewesen war. Sie wachte im Licht der einsetzenden Morgendämmerung auf und hatte nur einen Gedanken: Tegan zu finden.
Ihr Körper kam ihr schwer und gleichgewichtslos vor, als sie vorwärtsstolperte, wie von einem unnachgiebigen, unsichtbaren Faden gezogen.
Als sie ihn fand, war der Anblick zu furchtbar, als dass sie es völlig erfassen konnte. Sie konnte einfach nur dastehen, bewegungslos vor Verzweiflung und Trauer.
Sie hatten ihm die Flügel abgetrennt. Das Geräusch, das sie gehört hatte, war das von Metall gewesen, das durch das Fleisch seiner Seele geglitten war.
Dann stöhnte Tegan auf, und die Heilerin in ihr erwachte. Sie ignorierte alles andere: den brennenden Schmerz, der zeitgleich mit seinem durch ihren Körper jagte, seine Bitten, ihn sterben zu lassen. Aine ging methodisch vor. Sie zog ihn in den Schatten. Dann nahm sie eine Kraft zusammen, von der sie nicht gewusst hatte, dass sie sie besaß, und trug ihn in seine Höhle. Mithilfe seines Schwerts glättete sie die zerfetzten Stümpfe seiner Flügel. Sie benutzte dasselbe Schwert, um die Wunden zu veröden, die nicht aufhören wollten zu bluten. Zum Schluss füllte sie Eponas Urne und wusch seinen Körper, mischte das kühle Bergwasser mit ihren Tränen.
Als sie fertig war, öffnete er die Augen. „Du hättest mich sterben lassen sollen.“
„Das konnte ich nicht“, erwiderte sie.
„Er hat meine Seele genommen.“
„Nein, Liebster, das konnte er nicht. Deine Seele ist bei mir in Sicherheit.“
Tegan schloss die Augen. Tränen strömten über seine blassen Wangen.
Aine tat das Einzige, was sie jetzt noch tun konnte. Sie betete.
19. KAPITEL
Aine benutzte Eponas Urne, um ein Trankopfer darzubringen, indem sie die Flüssigkeit in einem Kreis um sich ausgoss. Dann kniete sie sich in die Mitte der Höhle unter die runde Öffnung, durch die sie den strahlenden Mond am Nachthimmel sah. Die Heilerin breitete die Arme aus und hob ihr Gesicht gen Himmel.
„Gnädige Göttin Epona, bitte hör mich an! Ich habe keinen Ort mehr, an den ich gehen kann. Niemanden, an den ich mich wenden kann. Vergib mir! Ich habe diese Frauen getötet. Ich liebe einen Fomorianer, und sogar nachdem ich gesehen habe, was aus ihm hätte werden können, bin ich zu schwach, um ihn zu verlassen. Göttin, ich habe dich mein ganzes Leben lang gespürt, auch schon, bevor ich deine Stimme gehört habe. Ich dachte, dass ich deine Anwesenheit nur spüre, wenn ich jemanden heile. Aber inzwischen verstehe ich, dass du mir immer am nächsten warst, wenn ich gescheitert bin. Ich verdiene weder deine Liebe noch deine Hilfe, aber ich bitte dich
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