Verrat im Höllental
leben (von staatlicher Unterstützung) und mir
nicht den flash (Geistesblitz) versauen.“
Gnaski duckte sich, als erwarte er
Prügel, konnte aber sein Grinsen nicht abstellen. Offenbar war das ein
Schaltfehler im Gesichtsmuskelbereich.
„Auf meinem Kalender, Ottmar, den wo
ich benutze, ist heute der 19.! Doch!“
„Dann ist es der falsche Kalender“,
sagte Lohmann, nachdem er dreimal tief durchgeatmet hatte, „vielleicht der vom
Vorjahr oder vom nächsten Jahr. Oder von 1820. Oder ein japanischer. Dort geht
ja die Sonne früher auf. Kackegal, Mann! Stimmt das nun wirklich? Sonntag, der
19.? Start 14 Uhr?“
„Stimmt ehrlich!“ beteuerte Gnaski. „Ehrlich
wahr! Weiß es genau, weil der Tank sonntags fahren soll, wo nicht soviel
Verkehr ist wie sonst. Weil Berufsverkehr nicht ist. Das, wo die meisten
Unfälle macht. Und eine Ausnahmegenehmigung fürs Wochenende haben sie.“
„Das leuchtet mir ein“, nickte Lohmann.
„Gott sei Dank! Dann ist nichts verloren. Also morgen das ganze noch mal. Aber
richtig, Bert! Denk an die Kohle. Ich brauch sie. Du brauchst sie. Also holen
wir sie uns. Trink heute keinen Schnaps. Geh früh ins Bett. Und bring morgen
deine Sonnenbrille mit. Los, jetzt in den Wagen und ab, bevor der kleine Braun
die Pupillen auf Durchblick schaltet. Chloroform wirkt nicht ewig.“
Jeder stieg in seinen Wagen.
Sie rauschten ab.
Aber Lohmann hielt kurz bei der
Pommes-Bude und erstand zwei Bouletten.
Er wollte wissen, ob die wirklich so
gut waren.
11. Was die Autokarte verrät
Das Sudelfeld wirkte nicht besudelt,
sondern leidlich sauber, war eine bescheidene Straße, die am Bahndamm verlief,
wo die Anwohner mit Geduld oder geballten Fäusten die Geräusche ertrugen: die
Pfiffe der Loks und das Rattern der Räder. Etwa alle zehn Minuten schickte die
Bundesbahn irgendeinen Zug vorbei, und sei’s manchmal nur, um fünf Pendler aus
einem Vorort per Triebwagen wieder nach Hause zu bringen.
Die TKKG-Freunde radelten an Haus Nr.
19 vorbei.
Es lag im Winkel, duckte sich in den
Schatten des Bahndamms. Auf drei Seiten wurde es umwuchert von einer Hecke, die
aussah wie der Inhalt einer Seegras-Matratze. Das Haus war eine Bude, klein und
verrußt. Auf der vierten Seite lehnten sich Bretter schuppen an. Sicherlich
fielen sie nach dem Gerumpel eines vorbeifahrenden Güterzugs wie Kartenhäuser
in sich zusammen. Aber Gnaski stellte sie immer wieder auf.
„Die Adresse stimmt jedenfalls“, sagte
Tarzan über die Schulter. „Gut gemacht, Willi. Jetzt fragt sich nur, ob dieser
Gnaski unser Gnaski ist, ob er ausbaldowert und zu jenem Ottmar gehört, der die
Teplers meine Süßen, meine Mädels nennt.“
Sie hielten am Ende der Straße, wo das
Sudelfeld sich stadtwärts krümmte und seinen Namen änderte. Ab hier hieß die
Prachtstraße Hinter-dem-Bahndamm.
„Er scheint ein Single (Alleinstehender) zu sein“, meinte Gaby. „Nur sein Bert Gnaski steht am Zauneingang.
Außerdem sind die Gardinen so dreckig und speckig — nein, der hat keine Frau.“
„Ich kenne einen Mitbürger“, grinste
Karl, „der hat eine Frau und drei Töchter zwischen 16 und 20. Außerdem hat er
Gardinen wie Speckschwarten.“
„Es gibt eben Weiber“, nickte Klößchen
fachmännisch, „die haben null Bock auf Hausputz und Wäsche. Aber Gnaskis Hütte
ist wirklich zu klein. Da lebt höchstens noch ein Sittich (Papagei). Und
wenn mit Bert auf derselben Welle, dann ist es ein Wellensittich. Hahah.“
„Ich seh mir den Typ mal an“, beschloß
Tarzan. „Ich klopfe an die Tür und sage... äh... ja, was sage ich denn? Idee,
komm raus!“ Er tippte sich mit der Fingerspitze auf die dunklen Locken. „Ja,
ich sage...“
„Du bist Lehrling bei der Bahnpolizei“,
fiel ihm Klößchen ins Wort, „und mußt überprüfen, ob das Haus auch nicht zu
dicht am Gleiskörper steht. Wenn er bei dem Wort Polizei zusammenzuckt oder
bleich wird, dann baldowert er auch, und wir wissen, er ist es.“
„Das ist kein sehr guter Vorschlag,
Willi“, meinte Karl, „nicht mal ein guter. Bei der Bahnpolizei gibt es nämlich
keine Lehrlinge.“
Tarzan hatte inzwischen einen kleinen
Notizblock aus der Gesäßtasche gezogen.
„Eine Spendenliste“, erklärte er. „Ich
mache eine Straßensammlung. Meinen Schülerausweis habe ich mit. Ich sammle für
die SSV, die Schüler-Selbstversorgung. Gibt’s ab sofort — warum nicht? Ich
weiß, Gaby, du hast rechtliche Bedenken. Straßensammlung ohne amtlichen Auftrag
und Ausweis ist verboten,
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