Verrat in Freistatt
Schlangenlächeln bedenken und ihn vor die Wahl stellen. Sie wußte, daß er zugrunde ginge, nähme er ihren Vorschlag nicht an, denn seinesgleichen starben in Abwind, sobald ihnen neben dem Geld auch die Hoffnung ausging, jemals weiteres zu beschaffen. Er würde nicht betteln oder verkaufen, was in Abwind gefragt war - er würde töten, um wegzukommen, oder sich mit dem ständigen Genuß von Abwindgesöff selbst umbringen. Und Mama wußte, welch empfindsamen Vogel sie da in ihrem Netz hatte - empfindsam, obgleich er lebend aus einem halben Dutzend Schlachtfeldern davongekommen war. Nein, er konnte in Abwind nicht überleben, nicht so, wie die Abwinder selbst. Besitzgier leuchtete aus ihren tiefliegenden Augen, und sie betrachtete ihn nun mit ähnlichem Blick wie ihre kostbaren Zinnbecher oder einen ihrer Knaben und überlegte, wie er am gewinnbringendsten eingesetzt werden konnte.
Sie hatte eine Kammer neben der Hintertreppe, ihr parfümstinkendes, sogananntes Boudoir mit einer eigenen Hintertür, wo Jungen und Mädchen, ihre Aufträge ausführend, kamen und gingen, und aus der der Geruch von Wein und teurem Krrf nur so herausquoll. Er wohnte gegenüber dieser Tür, die ihn an einen Höllenschlund gemahnte. Mama hatte ihn einmal in dieses Gemach eingeladen, ihm einen Kelch Wein vorgesetzt und ihm die Regeln erklärt und die Vorteile, die der Schutz ihrer Jungen bot. Sogar Krrf hatte sie ihm angeboten, eine kleine Kostprobe, und ihn wissen lassen, was sie sonst noch zu bieten hatte. Nach wie vor stahlen heimliche Besucher sich in diese Lasterhöhle, und Tygoth machte seine Runden und klopfte mit seinem Knüppel an die Wände, tapp-tapp, tapp-tapp, selbst im nächtlichen Regen, und sorgte für Sicherheit in der Gasse und für alles, was Mama gehörte.
»Kommt mit mir ins Hintergemach«, würde Mama sagen, wenn das Geld alle war. »Wir wollen uns darüber unterhalten, wie es weitergehen soll.« Und dazu würde sie lächeln.
Er kannte diesen Ausdruck. Er war wie Elids. Wie Er trank, um sich den ekligen Geschmack aus dem Mund zu spülen, aber er nahm nur einen kleinen Schluck, denn er rechnete seine Barschaft nun in Schlucken und Bissen. Er haßte, ihr Götter, wie sehr er haßte! Haßte Frauen, haßte diese ganze blutsaugende Meute, aus deren Augen Finsternis sprach und die einen aussogen.
Es hatte eine Frau gegeben, seine letzte Auftraggeberin. Sie hieß Ischade (2) und hatte ein Haus am Fluß.
Aber da war noch mehr als das. Da war dieser tiefe Quell der Finsternis in den Augen einer jeden Frau und das dunkle Lachen im Gesicht einer jeden, so daß in den Armen einer jeden dieser Augenblick kam, der ihn sich schütteln ließ und ihn unfähig machte und der nichts zurückließ als diesen Haß und diese Lähmung, in der er noch nie jemanden getötet hatte - ob nun deshalb, weil ihm noch ein bißchen Selbstbeherrschung blieb oder weil dieses Grauen vor ihr ihn davon abhielt, wußte er nicht. Er war sich da nie sicher. Jedenfalls schlief er nun immer allein. Er blieb in Abwind, weil er wußte, wie anspruchsvoll sie war, und er deshalb hoffte, daß sie nie hierherkommen würde. Er hatte sie zum erstenmal gesehen, als sie durch die Gassen des Labyrinths spazierte, selbst ein Stück Nacht in ihrer schwarzen Kleidung, ein Stück Finsternis, das kein Mond erhellen konnte, ein dunkles Gesicht, von schwarzem Haar umgeben, und Augen, wie kein Mann mit gesundem Verstand sie sehen sollte. Sie pirschte durch die Gassen von Freistatt. Sie war noch immer dort - oder am Fluß, oder vielleicht gar noch näher. Sie wählte ihre Liebhaber für eine Nacht unter jenen aus, nach denen kein Hahn krähen würde, und am Morgen waren sie kalt und starr.
Sie hatte ihn aus ihren Diensten entlassen, unberührt - außer in seinen Träumen und was seine Männlichkeit betraf. Sie rief ihn in diesen Alpträumen und versprach ihm ein Ende - so wie er sie ihren Opfern etwas hatte zuflüstern hören und sah, wie sie sie mit den Augen anhielt. Und manchmal wollte er dieses Ende. Das war es, was ihn am meisten erschreckte, diese Finsternis, die ihn lockte wie die einzige Zuflucht auf der Welt für einen Mann ohne Auftrag und Gönner, für einen Nisibisi, auf den zu Hause der Galgen wartete, und der auf der falschen Seite des Krieges gestrandet war.
Er durfte es nicht wagen, zu betrunken zu werden. Nicht in der Nacht, in der Mama vermutete, daß er sein restliches Geld bei sich trug, was der Fall war, denn dann würden sie ihn nicht länger in Ruhe
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