Verrat in Freistatt
einem Brett, das als Bank diente, oder auf einem Haufen Lumpen, oder den Anspruchsvolleren gar einen am einzigen richtigen Tisch mit Bänken, und dazu einen Schluck aus Mama Bechos Sonderfässern oder in besonderen Fällen einen Kelch (feierlich mit einem schmierigen Lumpen ausgewischt) und eine Flasche Wein.
Wie in vielen anderen Nächten saß Mradhon Vis auch an diesem Abend allein am Tisch. Die verrückte Elid hatte wieder mit verführerischem Augenaufschlag ihr Glück bei ihm versucht, doch er hatte sie finsteren Blickes vertrieben, so hatte sie sich auf die Straße geschlichen, um ihre diebischen Finger bei Betrunkeneren anzusetzen. Die Gedanken, die ihn heute bedrängten, würden Elids Blut zum Stocken gebracht haben, hätte sie sie geahnt, genau wie seine noch vagen Bedürfnisse. Er wollte eine Frau, aber nicht Elid. Er wollte töten, jemanden, mehrere Jemande ganz besonders, und er war ziemlich betrunken. Er stellte sich Elids Schreie vor - selbst Elid würde vielleicht schreien. Er würde gern ihre Schreie hören, denn möglicherweise würde das seine Wut zumindest mildern, solange er nicht zu betrunken war und tobte. Er hatte nicht wirklich etwas gegen Elid, ihn störte nur ihre Hartnäckigkeit und ihr Geruch, doch das verdiente wahrhaftig keinen solchen Haß. Vielleicht lag es daran, daß er, wenn er sie anblickte, hinter ihrem törichten Lächeln, mit dem sie zu verführen suchte und das ihn nur abstieß, etwas anderes sah, finsterer und schrecklicher, und unter ihrem abscheulichen Geruch einen angenehmeren, aufregenden roch, und er hinter ihren Augen die Hölle erblickte.
Oder er sah sich selbst, der ebenfalls zu viel von sich zu Markte getragen und verkauft hatte, was er lieber behalten hätte, wenn er es sich hätte leisten können.
Doch im großen und ganzen ließen die Huren und Schläger Mradhon Vis in Ruhe. Das war schon eine Art Achtung in Mama Bechos Schenke, und gar bei einem von außerhalb, der nicht einmal sonderlich groß war. Daß er ein Fremder war, verrieten allein schon sein dunkles Gesicht und seine Sprechweise. Doch obwohl man ihn beobachtete, hatte niemand Anstalten gemacht, sich wirklich mit ihm zu beschäftigen, wenn man von Elids Annäherungsversuchen absah.
Er bezahlte für seinen Vorzugswein, und behielt seine abweisende Haltung auch bei, während er ein Stück des körnigen, steingemahlenen Brotes und etwas von Mama Bechos gar nicht so übler Bohnensuppe aß, wobei er heimlich die Tür im Auge behielt.
Nacht um Nacht verbrachte er hier und so manchen Tag. Er wohnte auf der anderen Gassenseite in einer Kammer, die Mama Becho für mehr vermietete, als sie wert war - wenn man von ihrer Versicherung absah, daß man dort absolut ungestört war, daß sich niemand an der armseligen Ausstattung vergreifen und niemand verstohlen die Tür öffnen würde, während er fort war oder dort schlief. Tygoth zog die ganze Nacht lang mit einem Knüppel in der Hand seine Runden um Mamas Besitz, und wenn etwas nicht war, wie es sein sollte, dann trieben am Morgen Leichen im Schimmelfohlenfluß.
Das war schön und gut, solange sein Erspartes ausreichte, nur leider schrumpfte es zusehends.
Die stämmige Frau stapfte heran, erhob sich über ihn, setzte einen zweiten Becher Wein ab und griff nach dem leeren. »Guter Tropfen, das«, brummte sie.
Er legte die verlangte Münze auf den Tisch. Finger wie Tygoths, mit unglaublich langen gebogenen Nägeln und wulstig wie Horn hoben sie von der verschrammten und fleckigen Platte auf.
»Dank Euch«, sagte sie süß. Ihr Gesicht mit den feisten Wangen, von den grauen Strähnen eingerahmt, lächelte zu der Stimme passend, doch die Augen in den Fettwülsten, schwarz und hart, glitzerten so, wie er es vom anderen Ende einer Schwertspitze her kannte. Sie setzte ihm das Beste vor, gab ihm einen Schlafplatz wie eine Bäuerin einem Mastschwein. Sie würde sichergehen, daß sie zunächst einmal sein ganzes Geld bekam, dann würde sie zu den anderen Dingen übergehen - Mama Becho spielte mit Seelen, sowohl denen von Männern wie auch denen von Frauen, und sie bestimmte die Dienstleistung, wenn das Geld zu Ende war. Sie hatte es auf ihn abgesehen - ein Mann, der von Nutzen sein konnte, doch seine Schwächen hatte -ein Mann mit zu teurem Geschmack. Er hatte das Gefühl, daß sie seine Hilflosigkeit spürte. Sie roch Blut, und sie versicherte sich, daß er sich ausblutete, und oh, sie würde da sein, wenn er die letzte Münze ausgegeben hatte, und ihn mit diesem
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