Verrat in Freistatt
angespannt. Der Bursche behielt seine Haltung bei. »Komm ein wenig näher.«
»Warum öffnest du nicht die Tür, dann können wir uns drinnen unterhalten.«
Wieder Schweigen.
»Mann, willst du hier stehenbleiben, daß uns alle sehen können? Ich kenne dich. Glaub mir, ich bin allein. Das Risiko ist ganz auf meiner Seite.«
»Bleib du stehen, wo du bist. Ich öffne die Tür, dann gehst du zuerst hinein.«
»Vielleicht hast du Freunde da drinnen.«
»Du willst doch was von mir, nicht ich von dir. Wo hast du dich überhaupt angehängt? Oder hast du mir auf der Straße aufgelauert?«
Mradhon zuckte die Schultern. »Bitte mich doch erst einmal ins Haus.«
»Gut, vielleicht unterhalte ich mich mit dir.« Die Stimme klang vernünftiger und ruhig. »Wie wär’s, wenn du das Messer wegstecken und die Hände so halten würdest, daß ich sie sehen kann?« Der Bursche steckte das Messer in den Spalt zwischen Tür und Rahmen, hob den inneren Verschlußhaken, und öffnete. Es war dunkel im Haus. »Geh voraus, etwa sechs Schritte.«
»Sollten wir nicht zuerst Licht machen?«
»Geht nicht, Mann. Niemand ist im Haus, der es anzünden könnte. Also geh schon.«
»Tut mir leid, ich glaube, ich bleibe doch hier stehen. Vielleicht änderst du nach dieser Nacht deine Gewohnheiten. Vielleicht willst du dich zurückziehen. Also sprechen wir hier ...«
»Tut es im Haus.« Jemand trat aus dem dunklen Eingang auf die Gasse, die Stimme war die einer Frau. »Kommt herein. Aber Ihr zuerst.«
Er überlegte. Das Paar stand vor ihm. »Zuerst zündet einer von euch drinnen ein Licht an.«
Die Frau verschwand, gleich darauf flackerte Licht auf, und der Schein fiel auf den jungen Burschen. Mradhon berechnete seine Chancen, dann steckte er sein Messer ein. Mit einem Prickeln im Nacken ging er los, erst eine niedrige Stufe hoch, mit dem jungen Mann hinter sich, dann schaute er sich in dem Raum vor sich um. Die fadenscheinigen, verblaßten Vorhänge am hinteren Ende konnten alles mögliche verbergen. Er sah die Frau, sah eine schmale Liege an der Seitenwand, sah Kleidung an Wandhaken, Wasserkrüge standen herum und am Rand einer Feuerstelle aus Ziegelsteinen auch Töpfe und Pfannen, und an der gegenüberliegenden Wand brannte die Lampe. Die Frau war das zierlichere Abbild des Mannes, ihr dunkles Haar war so kurz geschnitten wie seines. Zwillinge, zumindest Bruder und Schwester. Mradhon drehte sich um. Der Bruder schloß die Tür mit dem Fuß.
»In Mama Bechos Schenke!« sagte der Bruder. »Dort habe ich dich gesehen.«
»Du bist Jubals Mann.« Mradhon achtete nicht auf das Messer, sondern ging zu der Wand, wo die Kleidersachen hingen, und wo ein Stück der Wand vorsprang und so seinen Rücken gegen den Vorhang schützen konnte. »Immer noch Jubals Mann, nehme ich an, und ich suche Dienst.«
»Du bist verrückt. Hinaus! Hier findest du bestimmt keinen!«
»Nicht so, schnell!« An dem Haken hing ein Umhang. Der junge Bursche trug einen. Da waren einige Kleidungsstücke, nicht zu viele. Er betastete den Umhang und ließ die beiden seinem Gedankengang folgen. Dann blickte er sie wieder an, verschränkte die Arme und lehnte sich an die Wand. »Also ist Jubal in Schwierigkeiten, und vielleicht braucht er jemanden. Ich arbeite billig - für den Anfang wenigstens. Unterkunft und Verpflegung. Vielleicht kann er sich gegenwärtig nicht mehr leisten. Aber die Zeiten ändern sich. Und ich bin bereit, mich mit ihm durch die Schwierigkeiten hindurchzukämpfen. Vielleicht kommen bessere Tage. Wäre doch möglich, nicht wahr? Für uns alle.«
Die Frau machte ein paar ruhige Schritte zur Seite. Sie setzte sich auf die Liege. Dadurch waren die Hände der beiden in unterschiedlicher Höhe, in anderen Blickwinkeln. Er durchschaute ihr Vorhaben und achtete auf den Winkel, den der Mann zwischen ihm, der Tür und dem Vorhang nahe seiner Schulter einhielt. Also rückte er zwei Schritte an der Wand entlang, steckte beide Hände in den Gürtel (unweit von seinem Messer), zuckte die Schultern und verzog die Lippen zu einem trockenen Lächeln.
»Ich sagte schon, ich bin billig, anfangs.«
»Es gibt keine Stellung«, brummte der Bursche.
»Oh, es muß eine geben«, sagte Mradhon sanft, »sonst würde es dir gar nicht gefallen, wenn ich von hier wegginge. Und ich bin schließlich guten Glaubens hergekommen. Es hängt von dir ab, weißt du, wie es weitergeht. Du stellst mich deinem Mann vor, sorgst für ein geringes Handgeld ...«
»Er ist tot«, sagte die
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