Verrat in Freistatt
Die Rankaner bemühten sich, so auszusehen, als genössen sie diesen Empfang. Und der Prinz und sein Staat taten es wirklich, fragten sich jedoch, ob die etwas späte Anerkennung des Reiches zu ihrem Vorteil sei.
Nur Coricidius hatte seine übliche strenge Miene aufgesetzt. Nach den Gerüchten, die Lalo gehört hatte, sollte der Minister vor nichts zurückschrecken, um die kurze Zeit, die ihm in seinem Alter noch geblieben war, in der Hauptstadt zubringen zu dürfen.
Eine wahre Duftwolke brachte Lalo zum Husten. Er drehte sich um und sah Lord Raximander mit strahlendem Gesicht auf sich zukommen.
»Wie wäre es, wenn Ihr mich in die Hauptstadt begleitet?« lud der Gesandte ihn ein. »Ein neues Talent! Meine Gemahlin wäre zuhöchst erfreut!«
Lalo lächelte zurück. Er sah bereits Marmorsäulen vor sich und Pflaster aus Porphyr, eine Pracht, die weit über der mühsam nachgeholfenen von Prinz Kittycats Saal stand. Würde es Gilla gefallen, in einem Palast zu wohnen?
»Aber warum sollten wir die paar Wochen vergeuden, die ich hier zubringen muß ...«
Eine kalte Hand legte sich um Lalos Herz, als Lord Raximander fortfuhr.
»Als kleine Vorführung Eures Könnens wäre es doch nett, wenn Ihr hier im Palast ein Bild von mir malen würdet.«
Noch ehe Raximander ausgeredet hatte, schüttelte Lalo den Kopf. »Jemand muß Euch falsch beraten haben - ich male nie Porträts!«
Angezogen von den erhobenen Stimmen, waren einige andere wieder zu dem Wandgemälde getreten. Zanderei beobachtete alles mit leichtem Lächeln.
Coricidius deutete mit knochigem Finger auf die Wand. »Und wer steht für alle Eure Bilder Modell?«
Lalo suchte verzweifelt nach einer Antwort, die die Anwesenden nicht gegen ihn aufbringen würde ... Nur die Wahrheit durfte er nicht sagen, nämlich, daß der Zauber eines Magiers ihn befähigte - nein, zwang! -, das wahre Ich, die Seele eines Menschen zu zeichnen. Nach ein paar verhängnisvollen Versuchen, die Wohlhabenden von Freistatt zu porträtieren, hatte Lalo gelernt, seine Modelle unter den Armen zu suchen, die noch nicht verdorben waren.
»Mein Lord, das hier malte ich nach meiner Phantasie«, antwortete Lalo wahrheitsgetreu, denn das Bild des ilsiger Königs verdankte er seiner Erinnerung an seine eigene Flucht durch das Labyrinth als kleiner Junge, als größere, stärkere Jungen hinter ihm hergewesen waren. Er erwähnte jedoch nicht, daß er den Höllenhund Quag dazu gebracht hatte, ihm von seinen Heldentaten auf dem Schlachtfeld zu erzählen, während er für das Bild des rankanischen Kaisers Modell gestanden hatte.
Ein Eunuchenbote eilte herbei, und Coricidius beugte sich zu ihm hinab, um die Botschaft zu hören. Von seinem Blick befreit, trat Lalo erleichtert ein paar Schritte zurück.
»Ihr seid zu empfindsam, Meister Maler«, sagte Zanderei sanft. »Ihr müßt lernen anzunehmen, was Euch geboten wird. In diesen Zeiten sind Ideale ein teurer Luxus.«
»Wollt Ihr vielleicht auch, daß ich Euch male?« fragte Lalo verbittert.
»Oh, ich wäre die Mühe nicht wert«, entgegnete Zanderei lächelnd. »Außerdem weiß ich, wie andere mich sehen.«
Tschinellen klirrten, und als Lalos Pulsschlag sich allmählich beruhigte, wurden ihm am anderen Saalende die farbigen Seidenschleifer der Tänzerinnen bewußt. Er hätte es erwarten müssen, schließlich hatte er ihnen fast jeden Nachmittag bei der Probe zugesehen, während er am Gemälde gearbeitet hatte.
Welch ein Getue ein paar Fremder wegen, dachte er, die sich Notizen über Freistatt machen werden wie die meisten Maler Porträts - oberflächliche nur -, um dann wieder zu verschwinden.
Freudig ihre seichten Gespräche aufgebend, ließen die Gesandten sich von purpurgewandeten Pagen zu den Diwanen unterhalb des Podests bringen, auf dem der Prinz bereits thronte. Die Tänzerinnen - aus den begabteren von Kadakithis’ Unterkonkubinen ausgewählt - bewegten sich geschmeidig und anmutig zum Klang der Musik und nahmen dann und wann einen weiteren ihrer Schleier ab.
Von seinem kaum überstandenen Schrecken noch zitternd, ging Lalo auf die Säulenreihe zu, die die Kuppeldecke stützte. Jemand hatte auf einer Marmorbank einen noch fast vollen Kelch stehenlassen. Lalo nahm einen tiefen Schluck Wein und zwang sich, den Kelch wieder abzustellen. Sein Herz pochte so heftig wie die Trommeln.
Warum habe ich solche Angst? fragte er sich. Doch dann sagte er sich, wie könnte es in einer Stadt anders sein, in der einem die Taschendiebe tagsüber bei
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