Verrat in Freistatt
wiederkomme?«
Lalo blickte auf das Bild und fragte sich, ob er die Wirklichkeit dieses Mannes richtig eingefangen hatte. Einen Moment verstand er nicht, was er sah. Schnell blickte er auf die anderen Porträts, doch die hatten sich nicht verändert, und die Farbe glänzte noch feucht, wo er Zandereis Haar gerade den letzten Schliff gegeben hatte. Doch noch nie zuvor hatte er das Modell eines seiner Porträts überhaupt nicht mehr erkannt ...
Er sah ein Gesicht wie aus Stein oder Stahl, ein Gesicht völlig ohne Leben, außer in den Augen, und dort las er nur eine alte Qual.
Und die Hände dieses Porträts umklammerten ein blutiges Messer.
Coricidius wollte die Schwächen dieser Männer sehen - doch das hier ist der Tod! dachte Lalo.
Und wie bei den Bildern auf der Leinwand mußte Lalos Gesicht jetzt seinen inneren Aufruhr verraten haben, denn Zanderei stürmte mit der Flinkheit des Fechters herbei und an Lalo vorbei. Er verstand das Bild in einem einzigen forschenden Blick. Ohne in der Bewegung innezuhalten, wirbelte er herum und warf dem herankommenden Wächter ein Messer in die Kehle, das er im Ärmel verborgengehalten hatte.
»Zauberei!« rief Zanderei aus, und dann bedächtiger: »Seht Ihr mich so?«
Lalo riß den entsetzten Blick von dem roten Rinnsal, das sich einen Weg vom Hals des Wächters zum Boden bahnte. Jetzt hatte Zanderei die Haltung eines Raubtiers angenommen, und sein Gesicht glich wirklich dem auf dem Bild.
»Hat man Euch eingesetzt, um mich in die Falle zu locken? Wurden die Pläne meiner Auftraggeber verraten?« Geschmeidig näherte er sich Lalo, der am ganzen Leib zitternd den Kopf schüttelte. »Ah, natürlich -Coricidius steckt dahinter, er stellte die Falle für alle. Ich bezweifle, daß er erwartete, mich darin zu fangen!« fügte er weicher hinzu.
»Wer seid Ihr? Warum täuscht Ihr vor, ein Versorgungsbeauftragter zu sein?« Lalo starrte Zanderei an und sah eine flüchtige Bewegung in den stillen Augen, als hätte die Maske, die er durchschaut hatte, lediglich einen Schleier bedeckt, der eine noch tiefere Wahrheit verbarg.
»Ich bin der Schicksalsvollstrecker - oder auch nicht ... Es kommt ganz darauf an. Meine Auftraggeber möchten, daß der Prinz seinen Teil zu dem Krieg beiträgt, andererseits aber wäre es nicht gut für ihn, wenn er es zu wirkungsvoll täte. >Beobachte ihn, aber laß ihn nicht zum Helden werden, Zanderei .< Solange er es nicht wird, werde ich ihm dienen.« Seine Stimme floß ruhig wie ein unbehinderter Strom, doch Lalo wußte, daß das, was er hörte, ihm noch mehr zum Verhängnis werden konnte als das, was er gesehen hatte.
»Ihr werdet den Prinzen töten ...« Lalo wich zurück, bis er gegen den Tisch prallte, auf dem seine Farben und Pinsel lagen.
»Vielleicht .« Zanderei zuckte die Schulter.
»Werdet Ihr mich töten?«
Der Mann seufzte, und aus dem anderen Ärmel flog ihm ein zweites Messer geradezu in die Hand. »Habe ich eine Wahl?« fragte er bedauernd. »Ich bin Berufsmörder. Doch niemand wird die Untat des Barbaren, der Euch tötet und das Gemälde vernichtet, mehr beklagen als ich. Vielleicht werdet Ihr es ja selbst gewesen sein, der es in einem Anfall von Ekel zerstörte - denn ich bin sicher, daß Coricidius Euch zu dieser Arbeit zwang. Doch wie auch immer, das Gemälde muß zerstört werden .« Zanderei betrachtete die Bilder der anderen, und zum erstenmal regte sich etwas wie Belustigung in seinen Augen. »Ihr seid viel zu genau!
Nehmt Abschied von Eurem Leben, Meister Maler«, seine Stimme klang nun weitaus sanfter. »Denn sobald das Gemälde vernichtet ist, müßt auch Ihr gehen.«
Lalo schluckte. Er befürchtete, daß sein aufbegehrender Magen ihm noch im Tod die Würde rauben würde. Und was war sein Leben anderen schließlich schon wert gewesen?
Zanderei nahm Feuerstein und Stahl aus einem Beutel in seinem Gewand, und einen Augenblick später flammte Licht in der Düsternis des Gemaches auf. Dann zündete der Attentäter einen fleckigen Mallappen an und hielt ihn unter die Leinwand. Lalo tastete nach einer Stütze, und seine Hand schloß sich um die glatte Seite eines Farbtopfs. Seine Kehle schmerzte, während er den Drang unterdrückte, den Mann anzuflehen, doch damit aufzuhören. Er haßte das Gemälde - er wünschte sich, es wäre nie gemalt worden. Aber warum spürte er dann fast denselben Schmerz wie letztens, als der Höllenhund Gilla niedergeschlagen hatte? Seine Augen brannten aus unterdrückter Trauer um seine
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