Verrat in Freistatt
er mit ... axis endete. Er wollte es aber auch gar nicht - sein Porträt verriet eine träge Selbstgefälligkeit, die lediglich aus Mangel an Energie nicht in Verruchtheit ausartete.
Und diese Leute sind der Stolz von Ranke! dachte Lalo. Er war Coricidius jetzt geradezu dankbar. Ohne ihn hätte er es nie erfahren. Er verzog das Gesicht bei einem weiteren Blick auf das Gemälde. Ich hätte meine Familie aus ihrer heimischen Umgebung gerissen, um mein Glück in der Hauptstadt zu suchen, weil ich in meiner Arglosigkeit überzeugt war, daß die Menschen dort redlicher sein mußten als in Freistatt. Dabei ist die Schlechtigkeit dort bloß besser getarnt ...
Aus dem Hof klangen die Marschschritte von Rindsledersandalen - die Leibgarde des Prinzen exerzierte wieder einmal. In dieser Zeit hielt sogar der Standort Übungen ab und sorgte für blankgeputzte Rüstungen, doch ob in der Hoffnung, in den Krieg geschickt zu werden, oder aus dem Gegenteil, wußte er nicht. Momentan interessierte es ihn auch keineswegs.
Er konnte sich nicht vorstellen, daß die Dinge in Freistatt durch einen neuen Eroberer schlimmer werden könnten.
Trotzdem machte ihn das ständige Marschieren nervös, als wäre seine Sicherheit nur Trug, und um die Ecke lauerte bereits eine neue Bedrohung. Unruhig schritt er zum Fenster und drehte sich gerade um, als die Wache den nächsten Gesandten hereinbegleitette.
»Mein Lord Zanderei!« Lalo verbeugte sich vor dem Mann, der sich während des Empfangs mit ihm Unterhalten hatte. »Bitte nehmt Platz ...« Er deutete auf den bequemen Sessel.
»Es tut mir leid, daß ich Euch warten ließ, Meister Maler«, entschuldigte Zanderei sich mit fast kläglicher Miene. »Ich wurde in den Getreidespeichern aufgehalten. Es scheint einige Unstimmigkeiten zu geben, was den Weizenanteil betrifft, der als Kriegszuschuß abgeliefert werden soll .«
Lalo beschäftigte sich mit seinen Farben, um ein Grinsen zu verbergen. Bei dem Netz von Bestechungen, Schiebungen und Betrug, das für alle Geschäfte in Freistatt galt, durfte die Bezeichnung Unstimmigkeiten eine Untertreibung sein. Warum hatte man wohl eine so unscheinbare graue Maus zur Bereinigung der Zustände hierhergeschickt? Während er ihn nun näher betrachtete, wurde ihm erst richtig bewußt, daß Zanderei eines der unauffälligsten Gesichter besaß, die er je gesehen hatte.
Es kommt wohl von einer lebenslangen Untertänigkeit, dachte er. Der Mann hatte keine eigene Persönlichkeit. Zum erstenmal seit Beginn dieses Auftrags konnte Lalo es kaum erwarten, den Pinsel an die Leinwand zu setzen, denn nichts vermochte dann noch die Wahrheit über diesen Mann zu verheimlichen.
»Sitze ich richtig? Ich kann meinen Kopf auch nach der anderen Seite drehen, wenn Ihr möchtet, oder meine Hände falten .«
»Ja, verschränkt Eure Finger - aber Eure Kopfhaltung ist so genau richtig. Doch müßt Ihr Euch entspannen, mein Herr, denkt daran, daß Ihr mit Eurer Arbeit hier bald fertig seid .« Lalo goß Verdünner in den Becher und tauchte den Pinsel ein.
»Ja«, sagte Zanderei sanft. »So ist es. In einer Woche oder in zwei wird sich herausstellen, ob ich alles geschafft habe, weswegen man mich hierhersandte. Die Auseinandersetzung kommt immer näher.« Seine dünnen Lippen verzogen sich zum Hauch eines Lächelns.
Lalo kniff die Augen zusammen, zog den Pinsel durch das helle Ocker und begann.
Eine halbe Stunde verstrich, eine ganze. Lalo arbeitete unentwegt, ohne sich wirklich bewußt zu sein, wieviel Zeit verging oder was er tat. Zanderei war Licht und Schatten, Farbe und Struktur und Linie - ein Problem der Übertragung. Der Künstler paßte sich dem wechselnden Licht an und erlaubte seinem Modell sogar, sich hin und wieder zu bewegen, ohne sich aus der Entrückung zu lösen, die seine Kunst und der Zauber auf ihm bedingte.
Da schlug der Gong der Gerichtshalle unten zur vierten Wache. Zanderei stand auf, und das graue Gewand verschob sich wie ein Schatten. Lalo, der seinen Weg in die Wirklichkeit zurückkämpfen musste wie einer, der aus dem Schlaf gerissen wurde, bemerkte, daß die Schatten der Abenddämmerung sich bereits in den Ecken des Gemachs sammelten.
»Es tut mir leid, aber ich muß jetzt gehen.« Zanderei machte ein paar Schritte vorwärts, geschmeidiger als Lalo erwartet hätte, wenn er bedachte, wie lange der Mann stillgesessen hatte.
»Oh, natürlich - verzeiht, daß ich Euch so lange aufgehalten habe.«
»Seid Ihr fertig geworden? Oder wollt Ihr, daß ich
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