Verrat in Paris
erwiderte er. »Bis heute Morgen jedenfalls nicht.«
Man stellte sich einander vor und schüttelte sich die Hände. Dann setzten sich die beiden Männer zu ihnen. Beryl saß Richard gegenüber. Als er sie ansah, kribbelte es wieder in ihr, und sie musste an ihren Kuss denken. Beryl, du Idiotin, dachte sie ärgerlich, du lässt zu, dass er dich irritiert. Dass er dich verwirrt. Kein Mann hat das Recht dazu, so etwas mit dir zu machen – zumindest keiner, den du erst einmal geküsst hast. Und erst recht keiner, den du erst seit 24 Stunden kennst.
Trotzdem konnte sie nicht vergessen, was im Garten von Chetwynd geschehen war. Der Geschmack seines Kusses! Sie schaute ihn an, als er sich ein Glas Wein einschenkte und das Glas an die Lippen führte. Wieder begegneten sich ihre Blicke. Sie fuhr sich mit der Zunge über ihre Lippen, die leicht nach dem Burgunder schmeckten.
»Und was führt dich nach Paris?« fragte sie und nickte ihm zu.
»Um ehrlich zu sein: Claude.« Er deutete in Daumiers Richtung.
Auf Beryls fragenden Blick hin sagte Daumier: »Als ich hörte, dass mein alter Freund Richard in London ist, dachte ich mir: Warum soll ich ihn nicht um Rat fragen? Schließlich ist er Experte auf diesem Gebiet.«
»Der Anschlag bei den St. Pierres«, erklärte Richard.
»Eine bisher unbekannte Organisation bekennt sich zu dem Bombenattentat. Claude meint, ich könnte herausfinden, um wen es sich handelt. Ich habe mich jahrelang mit sämtlichen terroristischen Gruppierungen beschäftigt.«
»Und was haben Sie herausgefunden?« fragte Jordan.
»Noch nichts«, gab er zu. »Die ›Kosmische Solidarität‹ kennt mein Computer nicht.« Er nahm noch einen Schluck Wein und sah sie an. »Aber die Reise ist nicht völlig umsonst«, fügte er hinzu. »Seit ich weiß, dass ihr auch in Paris seid.«
»Aus rein geschäftlichen Gründen«, warf Beryl ein. »Fürs Vergnügen haben wir keine Zeit.«
»Ganz sicher?«
»Ganz sicher«, entgegnete sie knapp. Dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf Daumier. »Mein Onkel hat Sie darüber informiert, warum wir hier sind. Richtig?«
Der Franzose nickte. »Ich weiß, dass Sie beide den Bericht gelesen haben.«
»Von vorne bis hinten«, fügte Jordan hinzu.
»Dann kennen Sie ja die Beweislage. Ich selbst habe die Zeugenaussagen und die Untersuchung des Coroners bestätigt …«
»Der Coroner könnte die Fakten falsch interpretiert haben«, bemerkte Jordan.
»Ich sah die Leichen in der Mansarde liegen. Etwas, was ich wohl nie vergessen werde.« Daumier hielt kurz inne, als wollte er die Erinnerung abschütteln. »Ihre Mutter starb mit drei Kugeln in der Brust. Neben ihr lag Bernard mit einer Kugel im Kopf. Auf der Waffe waren seine Fingerabdrücke. Es gab weder Zeugen noch andere Tatverdächtige.«
Daumier schüttelte den Kopf. »Die Beweise sprechen für sich.«
»Aber was soll das Motiv gewesen sein?« fragte Beryl. »Warum sollte er jemanden umbringen, den er liebt?«
»Vielleicht liegt gerade hier das Motiv«, sagte Daumier.
»Liebe. Oder eher der Verlust von Liebe. Vielleicht hatte sie jemand anderen gefunden …«
»Das ist unmöglich«, unterbrach Beryl ihn vehement. »Sie hat ihn geliebt.«
Daumier sah sein Glas an. Leise sagte er: »Dann haben Sie nicht gelesen, was der Vermieter, Monsieur Rideau, bei der Polizei zu Protokoll gegeben hat?«
Beryl und Jordan sahen ihn erstaunt an. »Rideau? Ich erinnere mich nicht, in der Akte etwas von einem Rideau gelesen zu haben«, antwortete Jordan.
»Weil ich diesen Teil der Akte für Hugh nicht beigefügt habe. Aus Gründen der … Diskretion.«
Diskretion, dachte Beryl. Er wollte also eine peinliche Tatsache vertuschen.
»Die Mansarde, in der die Leichen gefunden wurden«, erläuterte Daumier, »war von einer gewissen Mademoiselle Scarlatti angemietet worden. Nach Aussage des Vermieters Rideau benutzte Frau Scarlatti die Wohnung nur ein- bis zweimal die Woche. Und nur zu einem bestimmten Zweck …« Er machte eine viel sagende Pause.
»Um ihren Liebhaber zu treffen?« folgerte Jordan unumwunden.
Daumier nickte. »Nach den Todesschüssen sollte der Vermieter die Leichen identifizieren. Rideau sagte bei der Polizei aus, dass die Frau, die er als Mademoiselle Scarlatti kannte, dieselbe war, die tot in der Wohnung lag. Ihre Mutter.«
Beryl sah ihn schockiert an. »Sie wollen mir sagen, meine Mutter hatte einen Geliebten?«
»Laut Aussage des Vermieters.«
»Dann müssen wir mit diesem Vermieter sprechen.«
»Das ist
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