Verrat in Paris
nicht auf der üblichen Touristenroute Mykonos-Rhodos-Kreta. Am Ende des Landungsstegs standen bereits ein paar Dutzend Personen, die darauf warteten, an Bord gehen zu können. Schnell verschaffte sich Foch einen Überblick über die wartende Menge. Konsterniert nahm er zur Kenntnis, dass weder Beryl Tavistock noch Wolf dabei war. Er wusste, dass sie heute auf der Insel gewesen waren: Sein Kontaktmann hatte die beiden am Morgen in einer Taverne gesehen. Ob sie die Insel auf einem anderen Weg schon wieder verlassen hatten?
Da bemerkte er einen Mann mit ausgewaschener Windjacke und Fischermütze. Obwohl er die Schultern einzog, sah man, dass er groß war – mindestens eins fünfundachtzig – und von athletischer Gestalt. Der Mann drehte sich zur Seite, und Foch konnte einen Blick auf sein Gesicht erhaschen und den dunklen Schatten eines Dreitagebarts erkennen. Das war tatsächlich Richard Wolf. Er schien allerdings allein unterwegs zu sein. Wo war die Frau?
Foch zahlte die Rechnung und wanderte hinüber zum Landungssteg. Er mischte sich unter die übrigen Passagiere und studierte ihre Gesichter. Es waren einige Frauen darunter, sonnengebräunte Touristinnen, griechische Hausfrauen, schlicht in Schwarz gekleidet, und ein paar Hippies in Blue Jeans. Aber Beryl Tavistock war nicht dabei.
Er verspürte eine leichte Panik. Hatten sich Wolf und die Frau getrennt? Wenn ja, würde er sie nie finden. Sollte er auf der Insel bleiben und sie suchen?
Die Masse der Passagiere auf dem Landungssteg geriet in Bewegung.
Er wog seine Chancen ab und entschloss sich, Wolf zu folgen. Es war besser, bei der sichtbaren Beute zu bleiben. Früher oder später würde Wolf sich wieder mit der Frau treffen. Dann würde Foch den rechten Moment abpassen, sich bis dahin aber ruhig verhalten.
Der Mann mit der Fischermütze ging über den Landungssteg und verschwand im Passagierraum. Kurz darauf folgte ihm Foch und setzte sich auf einen Platz zwei Reihen hinter ihm, neben einen alten Mann, der eine Kiste mit gesalzenem Fisch dabeihatte. Nicht viel später wurden die Maschinen gestartet, und die Fähre entfernte sich langsam vom Anleger.
Foch lehnte sich zurück und behielt Wolf fest im Blick. Der Geruch nach Benzin und getrocknetem Fisch war übelkeiterregend. Noch dazu schlingerte die Fähre über die Wellen, so dass Foch fürchtete, dass ihm sein Essen samt Espresso wieder hochkommen würde. Er stand auf und wankte nach draußen. Dann stellte er sich an die Reling und holte ein paarmal tief Luft, damit die Übelkeit vorüberging. Als es ihm besser ging, machte er sich auf den Weg zurück in den Passagierraum. Er kam den Gang entlang, passierte Wolf – Oder besser den Mann, den er für Wolf gehalten hatte.
Er trug den gleichen schäbigen Anorak und die gleiche Fischermütze. Aber dieser Mann war frisch rasiert und jünger. Es war definitiv ein anderer Mann!
Foch sah sich im Passagierraum um. Kein Wolf zu sehen. Er lief nach draußen. Kein Wolf zu sehen. Er stieg die Stufen zum Oberdeck hoch. Auch hier kein Wolf.
Er drehte sich um, sah die Insel Paros hinter sich verschwinden und unterdrückte ein Fluchen. Er war einer Finte aufgesessen! Sie waren immer noch auf der Insel – so musste es sein.
Und ich sitze auf dem Schiff nach Piräus fest.
Foch schlug mit der Hand auf die Reling und verfluchte seine eigene Dummheit. Wolf hatte ihn überlistet – wieder einmal. Der alte Profi und seine Trickkiste. Es hatte keinen Zweck, den Mann im Passagierraum zu befragen; er war wahrscheinlich nur irgendein Einheimischer, den Wolf angeheuert hatte, um mit ihm den Platz auf der Fähre zu tauschen.
Er sah auf die Uhr und überschlug, wie lange es dauern würde, bis er mit einem gecharterten Boot wieder auf die Insel käme. Mit viel Glück könnte er sie heute Abend noch finden. Wenn sie dann noch da waren. Er schwor sich, dass er sie finden würde. Wolf mochte ein Profi sein, aber das war er schließlich auch.
Aus einem Café beobachtete Richard, wie die Fähre ablegte und den Hafen verließ. Er seufzte erleichtert. Der alte Verwechslungstrick hatte funktioniert; keiner war ihm gefolgt, als er die Fähre wieder verlassen hatte. Ihm war ein bestimmter Mann verdächtig vorgekommen – ein kahl werdender Typ im unauffälligen Touristenlook. Richard hatte bemerkt, wie der Mann die einsteigenden Passagiere beobachtet und wie sein Blick kurz auf seinem Gesicht innegehalten hatte.
Ja, das war er. Für ihn legte er den Köder aus.
Die Verwechslungsnummer
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