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Verrat in Paris

Verrat in Paris

Titel: Verrat in Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Und auch ein paar Dinge, die nur für Madeline eine Bedeutung gehabt hatten: ein Stück Koralle, ein Kieselstein, ein Porzellanfrosch. Beryl hatte die Sachen aus dem Koffer genommen. Sie versuchte, durch die Gegenstände den Geist und die Wärme ihrer Mutter
    heraufzubeschwören.
    Hugh betrat das Schlafzimmer und setzte sich auf einen Stuhl neben sie. »Beryl«, setzte er an, »es ist an der Zeit, dass ich euch die Wahrheit erzähle.«
    »Das hättest du schon vor Jahren tun müssen«, entgegnete sie und starrte den Porzellanfrosch in ihrer Hand an.
    »Ihr wart beide noch so klein. Du warst erst acht, und Jordan war zehn. Ihr hättet es nicht verstanden …«
    »Wir hätten mit den Tatsachen umgehen können! Aber du hast 39
    sie uns verschwiegen!«
    »Die Tatsachen waren zu schmerzhaft. Die französische Polizei schloss …«
    »Dad hätte ihr niemals etwas angetan«, sagte Beryl. Sie sah Hugh so scharf an, dass er unwillkürlich zurückzuckte.
    »Weißt du nicht mehr, wie sie miteinander umgingen, Onkel Hugh? Wie verliebt sie waren? Ich weiß es noch!«
    »Ich auch«, warf Jordan ein.
    Hugh nahm seine Brille ab und rieb müde seine Augen.
    »Die Wahrheit«, erklärte er, »ist sogar noch schlimmer.«
    Beryl starrte ihn ungläubig an. »Was kann denn noch schlimmer sein als Mord und Selbstmord?«
    »Vielleicht … Vielleicht solltet ihr einfach mal die Akte lesen.« Er stand auf. »Ich habe sie oben, in meinem Büro.«
    Sie folgten ihrem Onkel in den dritten Stock, in ein Zimmer, in dem sie fast nie gewesen waren und das immer verschlossen war. Er öffnete einen Aktenschrank und zog einen Ordner heraus. Es war ein Aktenordner vom MI 6, beschriftet mit
    »Tavistock, Bernard und Madeline«.
    »Ich hatte gehofft … ich könnte euch das ersparen«, sagte Hugh. »Ehrlich gesagt, glaube ich nicht, was hier drin steht.
    Bernard war kein Verräter. Aber die Beweislage sah anders aus.
    Und eine bessere Erklärung habe ich auch nicht.« Er gab Beryl die Akte.
    Schweigend öffnete sie sie. Gemeinsam mit Jordan blätterte sie sie durch. Die Akte enthielt Kopien von dem Bericht der Pariser Polizei, inklusive Zeugenaussagen und Fotos vom Tatort. Die Unterlagen entsprachen dem, was Nina Sutherland behauptet hatte. Bernard hatte demnach dreimal aus kurzer Entfernung auf seine Frau geschossen und sich dann selbst die Waffe an die Schläfe gesetzt und abgedrückt. Die Fotos waren zu schrecklich, um sie sich anzusehen; Beryl blätterte schnell 40
    weiter und konzentrierte sich auf einen anderen Bericht, der vom französischen Geheimdienst stammte. Ungläubig las sie die Schlussfolgerungen wieder und wieder.
    »Das ist unmöglich«, schnaubte sie.
    »Das haben sie gefunden. Eine Dokumententasche mit
    geheimen NATO-Akten. Waffeninformationen über die
    Alliierten. Sie war in der Wohnung, in der man die Leichen fand. Bernard hatte die Akten bei sich, als er starb – dabei hatten diese Akten außerhalb des Botschaftsgebäudes nichts zu suchen.«
    »Woher will man wissen, dass er sie mitgenommen hat?«
    »Er hatte Zugang zu ihnen, Beryl. Er bildete die Schnittstelle zwischen Geheimdienst und NATO. Monatelang tauchten in der DDR NATO-Dokumente auf, die ein Informant mit dem
    Codenamen Delphi dort ablieferte. Wir wussten, dass wir in unseren Reihen einen Maulwurf hatten, aber wir wussten nicht, wer es war – bis man diese Dokumente bei Bernards Leiche fand.«
    »Und du glaubst, dass Dad Delphi war«, sagte Jordan.
    »Nein, das glaubte der französische Geheimdienst. Ich glaubte es nicht, aber die Fakten waren unwiderlegbar.«
    Einen Moment lang saßen Beryl und Jordan schweigend da.
    Die Beweislage war erdrückend.
    »Aber du glaubst es immer noch nicht, oder, Onkel Hugh?«
    fragte Beryl leise. »Dass Dad der Maulwurf war?«
    »Gegen die Beweisstücke war nichts vorzubringen, und es wäre in der Tat eine Erklärung für ihren Tod. Vielleicht ahnten sie, dass man sie entdeckt hatte. Bevor er eine solche Schande auf sich nähme, hätte Bernard vielleicht einen eleganteren Abgang gewählt. Das hätte zu ihm gepasst. Tod statt Schande.«
    Hugh sank in seinen Sessel zurück und strich sich müde mit den Fingern durch sein graues Haar. »Ich habe den Bericht, so 41
    gut es ging, unter Verschluss gehalten«, fuhr er fort.
    »Die Suche nach Delphi wurde beendet. Für mich folgten danach ein paar unangenehme Jahre beim MI 6. Der Bruder des Verräters, kann man ihm trauen, solche Dinge. Und irgendwann war die Sache vergessen, und ich machte

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