Verrat in Paris
Karriere. Ich vermute, dass eigentlich niemand vom MI 6 dem Bericht Glauben schenkte. Keiner glaubte, dass Bernard ein Überläufer war.«
»Ich glaube es auch nicht«, sagte Beryl.
Hugh sah sie an. »Obwohl …«
»Ich denke nicht daran, es zu glauben. Es ist eine Lüge.
Vielleicht versucht jemand vom MI 6, die Wahrheit zu vertuschen.«
»Das ist doch lächerlich, Beryl.«
»Mum und Dad können sich nicht mehr wehren! Wer sonst sollte ihre Partei ergreifen?«
»Deine Loyalität verdient allen Respekt, aber …«
»Und was ist mit deiner Loyalität?« erwiderte sie scharf. »Er war dein Bruder!«
»Ich habe es ja auch nie geglaubt.«
»Hast du die Beweise je angezweifelt? Hast du mit dem französischen Geheimdienst gesprochen?«
»Ja, und ich habe Vertrauen in Daumiers Bericht. Er ist ein gründlicher Mensch.«
»Daumier?« fragte Jordan. »Claude Daumier? Ist das nicht der Chef der Pariser Sektion?«
»Damals war er der Kontaktmann zum MI 6. Ich bat ihn, sich die Beweise anzusehen. Er kam zum selben Schluss.«
»Dann ist dieser Daumier ein Idiot«, sagte Beryl. Sie ging zur Tür. »Und das werde ich ihm persönlich sagen.«
»Wo willst du hin?« fragte Jordan.
»Meine Sachen packen«, antwortete sie. »Kommst du mit, 42
Jordan?«
»Packen?« sagte Hugh. »Wo willst du denn hin, um Gottes willen?«
Beryl sah ihn an. »Wohin wohl? Nach Paris.«
Richard Wolf erhielt den Anruf um sechs Uhr morgens. »Sie nehmen die 12-Uhr-Maschine nach Paris«, erklärte Claude Daumier. »Mir scheint, mein Freund, dass da eine unangenehme Geschichte wieder aufgewärmt wird.«
Schlaftrunken setzte Richard sich im Bett auf und schüttelte den Kopf. »Wovon redest du, Claude? Wer fliegt nach Paris?«
»Beryl und Jordan Tavistock. Hugh hat mich gerade
angerufen. Ich halte das für keine gute Entwicklung.«
Richard fiel zurück in die Kissen. »Sie sind erwachsene Menschen, Claude«, erwiderte er gähnend. »Wenn sie nach Paris fahren wollen …«
»Sie wollen Nachforschungen über Madeline und Bernard anstellen.«
Richard schloss die Augen und stöhnte. »Na wunderbar. Das hat uns noch gefehlt.«
»Das sage ich ja gerade.«
»Kann Hugh es ihnen denn nicht ausreden?«
»Er hat’s versucht. Aber seine Nichte ist …« Daumier seufzte.
»Du hast sie ja kennen gelernt. Du weißt also, was ich meine.«
Ja, Richard wusste ganz genau, wie eigensinnig Miss Beryl Tavistock sein konnte. Wie die Mutter, so die Tochter. Auch Madeline war so unbeirrbar, so unaufhaltbar gewesen.
Und genauso hinreißend.
Er schüttelte die Erinnerungen an die Frau ab, die schon so viele Jahre tot war, und fragte: »Was wissen sie?«
»Sie haben den Bericht gelesen. Sie wissen von Delphi.«
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»Dann werden sie an den richtigen Stellen suchen.«
»An den gefährlichen Stellen«, korrigierte Daumier.
Richard setzte sich auf und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Er wägte die Möglichkeiten und Gefahren ab.
»Hugh macht sich Sorgen um ihre Sicherheit«, sagte Daumier.
»Ich auch. Wenn wahr ist, was wir denken –«
»Dann geraten sie in Treibsand.«
»Und Paris ist so schon gefährlich genug«, fügte Daumier hinzu, »wenn man das letzte Bombenattentat bedenkt.«
»Wie geht es eigentlich Marie St. Pierre?«
»Sie hat nur ein paar Schürfwunden und blaue Flecken.
Morgen kommt sie aus dem Krankenhaus.«
»Was sagt der Bericht?«
»Semtex. Das obere Stockwerk wurde total zerstört.
Glücklicherweise war Marie unten, als die Bombe explodierte.«
»Hat jemand die Verantwortung übernommen?«
»Kurz nach der Bombe gab es einen Bekenneranruf. Ein Mann erklärte, er sei Mitglied einer Organisation namens ›Kosmische Solidarität‹, die sich zu dem Anschlag bekennt.«
»Kosmische Solidarität? Nie gehört.«
»Wir auch nicht«, sagte Daumier. »Aber du weißt ja, wie das heute ist.«
Ja, das wusste Richard nur allzu gut. Jeder Spinner mit den richtigen Verbindungen konnte sich heute ein paar Gramm Semtex beschaffen, eine Bombe basteln und an der Revolution teilhaben – egal welcher. Kein Wunder, dass sein Geschäft boomte. In dieser schönen neuen Welt war Terrorismus ein Teil des Lebens. Und auf der ganzen Welt waren Mandanten bereit, viele Millionen Dollar für ihre Sicherheit auszugeben.
»Du siehst also, mein Lieber«, fuhr Daumier fort, »Bernards Kinder haben keinen günstigen Zeitpunkt für ihre Parisreise 44
gewählt. Und mit den Fragen, die sie stellen werden –«
»Kannst du nicht ein Auge auf sie
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