Verrat in Paris
über alles geht. Kein Wunder, dass der gestrige Abend eine Katastrophe wurde.«
»Wir waren es nicht, die die Wahrheit hinaustrompetet haben«, erwiderte Helena unwirsch.
»Immerhin war ich nüchtern genug, um zu wissen, was ich sage!« konterte Nina. »Sie hätten es sowieso irgendwann rausgefunden. Nachdem Reggie die Katze aus dem Sack gelassen hatte, fand ich es nur fair, ihnen endlich die Wahrheit über Bernard und Madeline zu sagen.«
»Und was ist dabei herausgekommen?« stöhnte Helena.
»Hugh sagt, dass Beryl und Jordan heute Nachmittag nach 47
Paris fliegen. Und dann werden sie anfangen, in der Vergangenheit herumzustochern.«
Nina zuckte die Schultern. »Das ist doch so lange her.«
»Ich verstehe nicht, wie dir das so gleichgültig sein kann.
Schließlich bist du doch diejenige, der das am ehesten schaden könnte.«
Nina sah sie stirnrunzelnd an. »Wie meinst du das?«
»Ach, schon gut.«
»Nein, raus damit! Was meinst du?«
»Nichts«, beendete Helena die Unterhaltung.
Anthony wusste, dass seine Mutter vor Wut kochte, denn sie ballte die Hände zu Fäusten. Und sie bestellte einen zweiten Martini. Als sie aufstand, um ein bisschen im Gang auf und ab zu gehen, folgte er ihr. Sie trafen sich am hinteren Ende des Flugzeugs.
»Alles klar, Mutter?« fragte er.
Nina starrte wütend in Richtung erste Klasse. »Es ist verdammt noch mal Reggies Schuld«, flüsterte sie. »Aber Helena hat Recht. Ich bin diejenige, der das schaden könnte.«
»Nach all der Zeit?«
»Sie werden die gleichen Fragen wieder stellen. In der Vergangenheit bohren. Und was ist, wenn diese Tavistock-Gören etwas herausfinden?«
Anthony sagte ruhig: »Das werden sie nicht.«
Ninas Blick traf seinen. Aus diesem einen Blick sprachen zwanzig Jahre Gemeinsamkeit. »Du und ich gegen den Rest der Welt«, hatte sie ihm früher immer vorgesungen. Und so hatten sie sich auch gefühlt – zu zweit in ihrem Pariser Apartment.
Natürlich hatte sie ihre Liebhaber gehabt, unbedeutende Typen, kaum erwähnenswert. Aber Mutter und Sohn – eine stärkere Liebe gab es nicht.
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Er sagte: »Du hast nichts zu befürchten. Wirklich.«
»Aber die Tavistocks …«
»Sie sind harmlos.« Er nahm ihre Hand und drückte sie aufmunternd. »Das garantiere ich dir.«
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3. Kapitel
Vom Fenster ihrer Suite im Pariser Hotel Ritz blickte Beryl auf den Place Vendôme mit seinen korinthischen Säulen und Steinbögen und auf die gut betuchten Touristen, die dort ihren Abendspaziergang machten. Sie war das letzte Mal vor acht Jahren in Paris gewesen, auf einem Trip mit ihren Freundinnen –
drei wilde Schulfreundinnen, die am liebsten in die Bistros am linken Seine-Ufer gingen und das zwielichtige Nachtleben vom Montparnasse dem ausschweifenden Luxus der anderen Seite vorzogen. Sie hatten eine Menge Spaß damals, tranken viel zu viel Wein, tanzten auf den Straßen, flirteten mit jedem Franzosen, der ihnen über den Weg lief – und das waren einige.
Es kam ihr vor, als sei das eine Million Jahre her. Eine andere Zeit, ein anderer Lebensabschnitt.
Und jetzt stand sie an ihrem Hotelfenster und trauerte dieser unbeschwerten Zeit nach, die nie mehr wiederkommen würde.
Ich habe mich zu sehr verändert, dachte sie. Es hat nichts mit den Enthüllungen über Mum und Dad zu tun, sondern mit mir.
Ich bin so rastlos. Ich sehne mich nach … keine Ahnung, nach was. Vielleicht nach einem Sinn in meinem Leben? Denn den gibt es schon lange nicht mehr.
Sie hörte, wie die Tür aufging und Jordan durch die Verbindungstür zu seiner Suite hereinkam. »Claude Daumier hat endlich zurückgerufen«, sagte er. »Er ist mit den
Untersuchungen zu dem Bombenanschlag beschäftigt, aber er will uns gern zu einem frühen Abendessen treffen.«
»Wann?«
»In einer halben Stunde.«
Beryl wandte sich vom Fenster ab und sah ihren Bruder an. Sie hatten letzte Nacht beide kaum geschlafen. Obwohl Jordan 50
frisch rasiert und perfekt gekleidet war, sah er erschöpft aus.
»Wir können von mir aus jederzeit losgehen«, sagte sie.
Er musterte ihr Kleid. »Ist das nicht … von Mum?«
»Ja. Ich habe ein paar ihrer Sachen mitgenommen. Ich weiß selbst nicht genau, warum.« Sie sah an dem Seidenkleid herunter. »Komisch, oder nicht? Wie gut es mir passt. Als ob es für mich gemacht wäre.«
»Beryl, bist du sicher, dass du dir das antun willst?«
»Warum fragst du?«
»Es ist nur …« Jordan schüttelte den Kopf. »Du bist irgendwie nicht du selbst.«
»Das ist keiner von
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