Verrat in Paris
jetzt damit komme. Es liegt schon viele Jahre zurück.«
»Was denn?«
»Die Affäre zwischen Philippe und Nina.«
Jordan starrte ihn durch die Gitterstäbe an. Da haben wir es, dachte er. Da haben wir das Motiv. »Seit wann weißt du das?«
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fragte er.
»Ich habe vor fünfzehn oder zwanzig Jahren zum ersten Mal davon gehört. Verstehst du, ich wusste nie, warum Helena Nina nicht ausstehen kann. Sie hasst sie regelrecht. Du weißt ja, wie Frauen manchmal sind, mit ihren boshaften Blicken. Ich dachte, sie wäre lediglich eifersüchtig. Meine Helena kam mit … nun ja, attraktiven Frauen nie zurecht. Sie wird sogar sauer, wenn ich eine schöne Frau ihrer Meinung nach zu lange ansehe.«
»Wie hat sie von Philippe und Nina erfahren?«
»Marie hat es ihr erzählt.«
»Wer wusste noch davon?«
»Ich glaube, nicht viele. Die arme Marie wollte mit ihrer Demütigung kaum hausieren gehen. Dass der eigene Mann mit einem Miststück wie Nina rummacht!«
»Und trotzdem blieb sie all die Jahre Philippes Ehefrau.«
»Sie ist eben ein loyaler Mensch. Und was hätte es auch gebracht, öffentlich Ärger zu machen deswegen und seine Karriere zu ruinieren? Jetzt ist er Finanzminister. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass er es ganz nach oben schafft. Und Marie mit ihm. So hat es sich langfristig also auch für sie ausgezahlt.«
»Wenn sie es noch erlebt.«
»Du willst doch damit nicht andeuten, dass Philippe seine eigene Frau umbringen würde? Und wenn ja, warum erst jetzt?«
»Vielleicht hat sie ihm ein Ultimatum gestellt. Denk doch mal nach, Reggie! Er steht kurz davor, Premierminister zu werden.
Und dann sagt Marie: ›Deine Geliebte oder ich. Du hast die Wahl!‹«
Reggie überlegte. »Wenn er sich für Nina entscheidet, müsste er seine Frau loswerden.«
»Ja, aber wenn er sich für Marie entscheidet? Und Nina im Regen stehen lässt?«
Stirnrunzelnd sahen sie einander durch die Gitterstäbe an.
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»Ruf Daumier an«, schlug Jordan vor. »Sag ihm, was du mir gerade erzählt hast, das mit der Affäre. Und sag ihm, er soll Nina überwachen lassen.«
»Du glaubst doch nicht im Ernst …«
»Ich glaube«, unterbrach ihn Jordan, »dass wir das Ganze aus einem völlig falschen Blickwinkel betrachtet haben. Der Bombenanschlag war nicht politisch motiviert. Diese Nummer mit der ›Kosmischen Solidarität‹ war nichts als eine Nebelkerze, die das wahre Motiv für den Anschlag verschleiern sollte.«
»Du meinst, es liegt ein persönliches Motiv vor?«
Jordan nickte. »Das ist bei Mord in der Regel so.«
Das Flugzeug nach Berlin war nur halbvoll, und der einzige logische Grund dafür, dass dieses ungepflegte Paar in der ersten Klasse saß, war wohl, dass sie tatsächlich dafür bezahlt hatten, Angesichts ihres Aussehens fand die Flugbegleiterin dies reichlich unglaubwürdig. Beide trugen dunkle Sonnenbrillen, zerknitterte Kleidung und sahen ziemlich erschöpft aus. Der Mann hatte sich seit etwa einer Woche nicht rasiert, wie die Bartstoppeln am Kinn verrieten. Die Frau hatte einen schweren Sonnenbrand, und ihre schwarzen Haare waren ungekämmt und staubig. Das einzige Gepäckstück der beiden war die Handtasche der Frau, ein zerbeultes Strohding, das voller Sand war. Die Flugbegleiterin sah sich die Flugscheine der beiden an.
Athen – Rom – Berlin. Mit gezwungenem Lächeln fragte sie, ob die beiden einen Cocktail wünschten.
»Eine Bloody Mary«, sagte die Frau in perfektem British English.
»Einen Rob Roy«, sagte der Mann. »Nicht zu bitter.«
Die Stewardess ging nach hinten, um die Getränke zu holen.
Als sie zurückkam, hielten der Mann und die Frau Händchen und sahen sich mit dem erschöpften Lächeln zweier
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Überlebender an. Sie nahmen die Getränke vom Tablett.
»Auf uns?« fragte der Mann.
»Auf jeden Fall«, antwortete die Frau.
Grinsend stießen die beiden an.
Der Essenstrolley kam, und es wurden Hummerpastetchen und Lammkrone an Wildreis mit Champignonköpfchen serviert. Die beiden nahmen von allem je zwei Portionen und beendeten ihre Mahlzeit mit einer kleinen Flasche Wein. Dann rollten sie sich zusammen wie erschöpfte Welpen, kuschelten sich aneinander und schliefen ein.
Sie schliefen die ganze Strecke nach Berlin. Erst als das Flugzeug am Terminal andockte, schreckten die beiden aus dem Schlaf hoch. Dann aber waren beide sofort hellwach und aufmerksam. Als die Passagiere das Flugzeug verließen, behielt die Flugbegleiterin das merkwürdige Paar aus Athen im Auge.
Irgendwie
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