Verrat und Verführung
sollte sie Simon gegenübertreten?
Tagsüber konnte sie ihm ausweichen, Abstand wahren, sogar ihren Zorn zeigen. Aber nachts, in der Privatsphäre eines Schlafzimmers, würde ihr sinnlicher Körper sie immer wieder verraten. Sogar jetzt erwärmte er sich, während ihre Fantasie den Zauber des Liebesglücks heraufbeschwor, das sie in den Armen ihres Gemahls genossen hatte.
Nachdem Christina mit der Hilfe einer Zofe gebadet und sich angekleidet hatte, ging sie zum Frühstück hinunter. Alle waren bereits am Tisch versammelt – alle außer Simon.
Liebevoll nahm Celia ihre Nichte in die Arme und schob sie dann von sich, um sie forschend zu betrachten. „Wie fühlst du dich heute Morgen?“
„Sehr gut, Tante“, antwortete Christina lächelnd.
Ein bisschen zu fröhlich und munter, fand Celia.
„Vor lauter Freude strahlst du geradezu, Christina“, meinte Miranda. „Wie wundervoll du aussiehst!“
Christina wandte sich zu ihrer Schwägerin und hob ironisch die Brauen. „Danke, meine Liebe“, sagte sie und setzte sich an den Tisch. „Obwohl ich sicher genauso aussehe wie gestern …“
Hätten die Hochzeitsnacht und das mit Simon geteilte Bett ihre äußere Erscheinung verschönern müssen? Merkte denn niemand, unter welch beklagenswertem Unstern ihre Ehe stand? Wenn sie auch miteinander geschlafen hatten – zwischen ihnen klaffte immer noch ein Abgrund voller Missverständnisse und Zorn.
„Möchtest du gar nicht wissen, wo dein Gemahl ist, Christina?“, fragte William.
Betont lässig zuckte sie die Achseln. „Habe ich mich nicht danach erkundigt? Vielleicht, weil ich nie zuvor einen Gemahl hatte …“ Bestürzt unterbrach sie sich, als sie merkte, dass ihre Bitterkeit die heitere Fassade durchdrang. „Verzeih mir, William, ich muss mich noch an mein neues Leben gewöhnen.“
Miranda legte tröstend eine Hand auf Christinas Arm. „Glaub mir, jede junge Ehefrau muss lernen, sich zurechtzufinden. Die Veränderungen sind nicht einfach – nicht einmal, wenn sie ihren Mann innig liebt. Und wie viel Lord Rockley dir bedeutet, ist offensichtlich.“
„Ja, Miranda, gewiss hast du recht“, antwortete Christina leise und kämpfte wieder einmal mit unwillkommenen Tränen. „Wahrscheinlich erledigt Simon irgendwelche Geschäfte.“
„Ja“, bestätigte William, „er trifft sich mit seinem Kammerdiener Henry und einigen Männern, die ihm helfen, Mark Buckley aufzuspüren. Und er bat mich, dir auszurichten, er würde gegen Mittag zurückkommen.“
„Gut, dann ist ja alles in Ordnung“, erwiderte sie kühl und bestrich eine Scheibe Brot mit Butter.
Bei seiner Rückkehr warf Simon nur einen kurzen Blick auf die versteinerte Miene seiner Frau und entschied, diesen Zustand würde er nicht länger dulden. Gleichzeitig wollte er sie packen und schütteln, in seine Arme reißen und mit ihr ins Bett sinken – obwohl er sich vorgenommen hatte, sie nicht anzurühren, bevor sie nicht aus eigenem Antrieb zu ihm kommen würde.
Angesichts ihrer lockenden Schönheit wusste er, bei diesem Entschluss würde er nicht lange bleiben. Sicher bin ich ein Narr, dachte er, weil mich ihr Verhalten dermaßen verwirrt. Doch er war nicht verrückt genug, um wütend davonzustürmen, obwohl er sich in diesem Moment dazu gedrängt fühlte. Diese Genugtuung gönnte er seiner Gemahlin nicht, die ihn bis zur Weißglut reizte.
Kurz nach Simons Rückkehr erhielt William einen Brief aus Oakbridge. Der Reitknecht Tom teilte ihm mit, der Mann, nach dem Lord Rockley fahnde, würde sich in den unterirdischen Räumen befinden. Falls Seine Lordschaft beschließe, sich davon zu überzeugen, sei Eile geboten. Die Schusswunde an Buckleys Schulter würde eitern, und er befinde sich in einem sehr schlechten Zustand. Nun könne man nichts mehr für ihn tun, und die Zeit würde drängen.
Natürlich wollte Simon sofort nach Oakbridge aufbrechen. Eine Stunde nachdem Toms Brief eingetroffen war, verabschiedeten sich Simon und Christina sowie William und Miranda von Celia und stiegen in die Reisekutsche.
Während Miranda im Haus zurückblieb, ritten Christina, Simon und William, von Tom und Henry begleitet, zu der Höhle, die früher das Diebesgut enthalten hatte, und traten ein. Mittlerweile dämmerte der Abend, durch den Eingang fiel nur schwaches Licht. Feuchte Kälte erfüllte den Raum.
Zwischen den Fußspuren auf dem staubigen Boden häufte sich Unrat. Mark Buckley lag in einer versteckten Ecke auf einer Matte, bis zur Taille von einem
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