Verrat und Verführung
sie aus dem Zimmer.
„Ja, ich komme gleich …“ Ernst und bedrückt starrte Christina vor sich hin, während Celia das Eheglück pries, das auf ihre Nichte wartete.
Diesen Optimismus teilte Christina nicht. Angstvoll blickte sie der Vermählung entgegen, weil sie in Simons Nähe einfach nicht wusste, was sie empfinden sollte. Unbestreitbar weckte er Emotionen in ihr, die sie gar nicht fühlen dürfte oder wollte. Und keine Barriere war hoch genug, um ihr Herz vor ihm zu schützen. Am meisten fürchtete sie die Nacht, die der Trauung folgen würde – und all die weiteren Nächte. Denn wenn sie nicht aufpasste, würde Simon ihr Herz und ihre Seele endgültig stehlen. Und dann würde sie nicht mehr ohne ihn leben können.
Nur wenige Gäste erschienen zu der schlichten Zeremonie in der kleinen Kirche. Vor dem Altar flackerten helle Kerzen, hinter dem Brautpaar standen Verwandte und enge Freunde in düsteren Schatten.
Christinas Brautkleid war einfach, aber sehr elegant, aus Brokat in Weiß und Silber, am Oberteil mit goldenen Fäden bestickt. Dazu trug sie eine Spitzenhaube, von der lange Bänder auf ihren Rücken hinabhingen, eine Kette aus Topasen und passende Ohrgehänge.
Unsicher musterte sie ihren künftigen Gemahl. Über sein Gesicht flackerte Kerzenschein, und angesichts seiner kühlen Miene verspürte sie den fast überwältigenden Wunsch, die Flucht zu ergreifen. Unter dem unergründlichen Blick seiner silbergrauen Augen begann sie zu zittern. Dann reichte er ihr seine Hand. Nur widerstrebend berührte sie seine warmen Finger mit ihren kalten.
Wie wunderschön sie ist, dachte er, wie anmutig ihre Hand in meiner ruht … Plötzlich fühlte er sich wie ein Gefangener ihrer dunkelblauen Augen. Und während die Menschen hinter ihnen ringsum zweifellos noch immer existierten, glaubte er, nun wäre er mit seiner Braut ganz allein auf der Welt.
Hoch aufgerichtet stand er neben Christina. Sie nahm die Hochzeitszeremonie kaum wahr – alle ihre Sinne von diesem Mann gebannt, der ihr wie der Satan persönlich erschien: schön, skrupellos, gefährlich. Wäre sie tapfer genug, würde sie aus der Kirche laufen, bevor sie das Gelübde sprechen musste. Aber ihre Beine fühlten sich bleischwer an.
Überall auf der Welt gebaren Frauen uneheliche Kinder. Warum war sie nicht auch so mutig? Weil sie sich zu einem Mann hingezogen fühlte, der sie niemals lieben würde? Noch während ihr diese Gedanken durch den Kopf gingen, kniete sie nieder, ebenso wie Simon an ihrer Seite, und betete um den Segen des Allmächtigen. Mit leisen Stimmen gaben sie einander das Eheversprechen. Falls die Worte der Braut bebend und halb erstickt klangen, achtete niemand darauf.
Simons Blick hielt ihren fest, als er den Ring über ihren Finger streifte, und seine Nähe, sein maskuliner Duft drohte ihr die letzten Kräfte zu rauben.
Der Priester erklärte sie zu Mann und Frau, und sie verneigten sich vor ihm. Danach erhob Christina sich auf zitternden Beinen und hörte den Geistlichen sagen: „Jetzt darf der Bräutigam die Braut küssen. Ich glaube, das ist so Sitte.“
„Ja, gewiss“, bestätigte Simon und wandte sich zu Christina.
Ihre Knie wurden weich, ihr Herz pochte wie rasend. Doch nachdem er ihre Hand umfasst hatte, wäre sie lieber gestorben, als ihre Gefühle zu zeigen. Behutsam umschlossen seine starken Finger ihr Kinn. Den anderen Arm schlang er um ihre Taille.
Plötzlich stürmte alles auf sie ein, was sie ihm anlastete, all die Kränkungen. Allein schon der Gedanke daran genügte, um ihr Höllenqualen zu bereiten. Aber sobald er den Kopf herabneigte und sie seine warmen Lippen auf ihren spürte, sehnte sie sich nach seinem Kuss. Möge mir der Himmel helfen … Was für eine Närrin ich bin … Unglücklich verfluchte sie sich selbst, weil sie nicht einmal den Willen aufbrachte, ihr Gesicht abzuwenden.
Mit heißen Lippen teilte er ihre, kostete sie und ließ sie ihn schmecken. Obwohl alle Hochzeitsgäste zuschauten, verspürte Christina ein Entzücken, das sie unerklärlich fand.
Aber Simon nahm keine Glut wahr, die von ihr ausging. Stocksteif stand sie da, von seinem Arm umfangen, und weigerte sich, den Kuss zu erwidern.
In der ersten Minute des Ehelebens war diese Abwehr das Letzte, was Simon sich wünschte. Also musste er Christina verführen, wenn er die Hochzeitsnacht in vollen Zügen genießen wollte. Ein Kuss konnte das Vorspiel zu den Freuden sein, die ihm vorschwebten. In seiner Fantasie entstanden jene
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